Stronach will nun doch nicht die Gewerkschaften abschaffen. Seine Attacken finden aber Zuspruch. Warum? ERICH FOGLAR: Es ist immer dieselbe Leier mit Stronach. Wir haben 1,2 Millionen Mitglieder, es gibt keine Zwangsmitgliedschaft. Was freie Gewerkschaften sind, sollte bekannt sein. Man blicke nur in die Türkei, wo Gewerkschafter, die bei den Protesten beteiligt waren, oder Anwälte eingesperrt werden. Das ist kein Spaß, das ist keine lustige Geschichte.

Leidet das Image der Gewerkschaft nicht auch unter Ihrem Kollegen Neugebauer? Sind Sie mit ihm auf derselben Wellenlänge? FOGLAR: Es ist das Normalste der Welt, dass eine Gewerkschaft, wenn es um Arbeitszeit und Einkommen geht, nichts zu verschenken hat. Wenn eine einheitliche Ausbildung angestrebt wird, muss es auch eine gleiche Bezahlung geben.

Der Kanzler hat gemeint, die Regierung könnte auch über die Köpfe der Lehrergewerkschaft hinweg ein neues Dienstrecht beschließen. Was sagen Sie dazu? FOGLAR: Ich trete ganz klar für eine Verhandlungslösung ein. Es muss aber Bewegung auf beiden Seiten geben. Wenn eine Seite stur bleibt und sich keinen Millimeter bewegt, wird es nicht gehen. Das wissen die Gewerkschaften auch, deshalb verhandeln sie hart.

Sind Sie auf der Seite von Neugebauer oder auf jener der SPÖ-Unterrichtsministerin? FOGLAR: Ich bin grundsätzlich auf der Seite der Gewerkschaft, sonst wäre ich als ÖGB-Präsident falsch am Platz. Es müssen beide Seiten aufeinander zugehen.

Sie fordern eine sechste Urlaubswoche. Überfordern Sie nicht die Wirtschaft? FOGLAR: Da liegt ein Missverständnis vor. Wer 25 Jahre in ein und demselben Betrieb gearbeitet hat, hat heute bereits Anspruch darauf. Nur ist die Arbeitswelt heute eine völlig andere. Wir haben 800.000 Betriebswechsel pro Jahr. Wer wechselt, hat nicht dieselben Rechte.

Führt das nicht dazu, dass ein Betrieb einen jüngeren Arbeitnehmer einstellt statt einen älteren, der eine Woche weniger arbeitet? FOGLAR: Das passiert ohnehin längst. Wir haben schon so viel probiert, etwa ab einem bestimmten Alter keine Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Kein einziger Arbeitnehmer, der älter ist, ist deshalb eingestellt worden. Keinen einzigen hat das vor der Kündigung geschützt, wenn der billigere vor der Türe steht.

Gleichzeitig stagniert das faktische Pensionsantrittsalter. FOGLAR: Was mir zunehmend auf die Nerven geht, sind die Vertreter der jungen Industrie, die links blinken und rechts abbiegen. Am Sonntag verkünden sie, man muss das gesetzliche Pensionsantrittsalter anheben, und am Montag stellt der Personalchef die Liste der 55-Jährigen zusammen, die man abbauen will.

Beim Pensionsalter wird seit 2008 unaufhörlich behauptet, wir müssen beim gesetzlichen nichts tun, weil das faktische hinaufgeschraubt wird. Nur: Seit 2008 verharren wir bei 58 Jahren. FOGLAR: Unser Problem ist nicht die Alterspension, sondern die Invaliditätspension. Das ist der einzige Grund, warum wir statistisch bei 58 sind. Wir drängen derzeit ohnehin die Invaliditätspension zurück. Ab 2014 gibt es nur die Korridorpension, wo man frühestens mit 62 gehen kann, außer ich bin Schwerarbeiter.

Warum lässt man sich bei der Angleichung des Frauenpensionsalters bis 2028 Zeit? FOGLAR: Weil wir den Vertrauensschutz haben. Wann immer wir ein Loch im Budget haben, machen wir etwas bei der Pension und greifen massiv in die Lebensplanung ein. Die Pensionen sind nicht der permanent zur Verfügung stehende Lückenbüßer für irgendwelche Budgetlöcher.

Was ist mit der Demografie? Die Leute werden immer älter. FOGLAR: Na und? Es redet jeder nur von der demografischen Belastungsquote. Entscheidend ist die wirtschaftliche Belastungsquote, wie viele Menschen in einem arbeitsfähigen Alter arbeiten, gut verdienen, Steuern zahlen, nicht auf Transferleistungen angewiesen sind. Uns gefährdet jeder Arbeitslose zehnmal mehr als das Pensionsantrittsalter.

Sie wollen eine Erbschafts- und Schenkungssteuer ab 150.000 Euro. Trifft das nicht die Häuslbauer? FOGLAR: Wir hatten schon einmal eine Erbschaftssteuer, die jährlich 150 Millionen Euro gebracht hat. Wir sollten auf das Geld nicht verzichten, das wir zweckgebunden für die Pflege verwenden. Dann könnten wir auch den Regress abschaffen.

Der Kanzler spricht von einer Million, wegen der Häuslbauer. FOGLAR: Über die Ausgestaltung kann man reden. Dass Eigenheime, die von den Kindern weiterverwendet werden, nicht eingerechnet werden, ist klar. Ich finde es perfide, wenn man den Leuten dauernd einredet, der Mittelstand sei betroffen.

Der Kanzler sieht es anders. FOGLAR: Ich vertrete die Interessen der Arbeitnehmer, nicht einer Partei. Wir wünschen uns, dass sich alle Parteien mit unseren Vorschlägen beschäftigen und diese in die nächste Regierung einfließen.

Soll es eine Große Koalition sein? FOGLAR: Ich wünsche mir eine stabile Regierung mit zwei großen Parteien, die aber notwendige Reformen in Angriff nimmt.

Wenn man drei Parteien braucht, dann Stronach? FOGLAR: Mit dem Programm, das er vorgestellt hat, kann ich es mir nicht vorstellen.

Und die Grünen? FOGLAR: Ich sage nichts zu Koalitionsvarianten, denn der ÖGB ist überparteilich. Mit der FPÖ kann ich mir nicht vorstellen, dass eine SPÖ eine Koalition eingeht.

Sie wollen nach der Periode aufhören? FOGLAR: Dann bin ich 62, habe 46 Jahre gearbeitet und bin pensionsanspruchsberechtigt.

Dann drücken Sie das faktische Pensionsantrittsalter runter? FOGLAR: Das ist mir ehrlich gesagt wurscht. Ich bin als Einzelperson außerhalb der statistischen Wahrnehmung.