Rating-Agenturen wird häufig Intransparenz vorgeworfen. Ist das wissenschaftlich gerechtfertigt?

MANFRED GÄRTNER: Nach unseren Ergebnissen schon. Transparenz würde bedeuten, dass jeder Einzelne, der diese Daten bekommt, zum gleichen Ergebnis kommen müsste wie die Agenturen. Das geht aber nicht. Wir haben dann gesagt, wenn uns die Rating-Agenturen nicht sagen, wie sie zu ihren Ergebnissen kommen, versuchen wir das selbst statistisch nachzuzeichnen.

Mit welchem Ergebnis?

GÄRTNER: Wir haben uns etwa angesehen, wie sich die Verschuldungsquote eines Landes 2005 entwickelt hat und welche Auswirkungen das damals auf das Rating gehabt hat. Und wir haben uns angesehen, ob dieses Verhalten zu dem passt, was seit 2008 passiert ist. Und da müssen wir sagen, dass das für Irland, Spanien, aber auch Griechenland überhaupt nicht passt. Die sind viel härter bestraft worden, als früher Länder für ähnliche Sachverhalte bestraft wurden. Wir sagen nur: Wenn wir das Muster akzeptieren, das die Agenturen in der Vergangenheit für ihre Ratings angewendet haben, dann passt das, was die in den letzten drei Jahren in Europa machen, einfach nicht mehr dazu. Und zwar auf eine massiv negative Weise nicht mehr.

Sind die aktuellen Ratings der Euro-Schuldenländer demnach zu streng ausgefallen?

GÄRTNER: Ja, viel zu streng. Diese europäischen Problemländer werden seit 2008 viel strenger bewertet, als das noch früher der Fall war. Und als heute noch andere Länder wie die USA oder Großbritannien bewertet werden. Hier wird offensichtlich ein anderer Maßstab angewendet. Und da geht es nicht darum, dass man ein bisschen danebenliegen würde, das sind massive Unterschiede. Nach unseren Berechnungen hätte etwa Irland nach 2008 um 1,5 Stufen abgestuft werden müssen. Tatsächlich waren es aber sieben Stufen. Bei Portugal ist das ähnlich.

Welche Bedeutung haben Länder-Ratings?

GÄRTNER: Das Rating für Staaten halte ich für überflüssig. Wenn eine Firma geratet wird, kann das aus Kundensicht schon zu Ergebnissen und Informationen führen, die man so nicht hat. Aber wenn da plötzlich der Euro-Rettungsschirm abgestuft wird oder Österreich, dann haben die Agenturen die gleichen Informationen wie ich oder Nationalbanken auch. Da haben die Rating-Agenturen keinen Informationsvorsprung.