Jetzt ist es soweit. Der von der Dachgesellschaft Pierer Mobility AG bereits am Dienstag angekündigte Weg vor das Insolvenzgericht wurde beschritten: Für die drei Gesellschaften des Motorradherstellers KTM, die KTM AG und ihre Töchter KTM Components GmbH sowie KTM F&E GmbH wurden beim Landesgericht Ried im Innkreis jeweils Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung beantragt. Die drei Gesellschaften beschäftigen insgesamt 3623 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, wobei 2380 auf die KTM AG entfallen. Bei den Passiva gibt es unterschiedliche Angaben, je nach Einberechnung etwaiger Verwertungserlöse oder den Fall einer Liquidation. Laut den Gläubigerschützern des AKV sind von den drei Insolvenzen insgesamt 3623 Dienstnehmer betroffen, die Gesamtverbindlichkeiten werden auf rund 2,9 Milliarden Euro bei rund 2500 Gläubigern geschätzt. Creditreform führt Passiva von gut zwei Milliarden Euro an.
Im Einzelnen beziffert die KTM AG die Passiva mit rund 2.7 Milliarden Euro, wobei circa 1600 Gläubiger und 2380 Dienstnehmer betroffen sind, so der AKV. Die KTM Forschungs & Entwicklungs GmbH wiederum geht von Verbindlichkeiten in Höhe von rund 105 Millionen Euro bei etwa 550 Gläubigern aus und sind zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung 765 Dienstverhältnisse aufrecht. Die KTM Components GmbH wiederum spreche im Eröffnungsantrag von Verbindlichkeiten in Höhe von 80 Millionen Euro bei etwa 330 Gläubigern und hat 478 Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer.
Gläubigern wird 30-prozentige Quote geboten
Mit einer „Redimensionierung“ hofft man den Bestand der KTM-Gruppe zu sichern. In einem ersten Schritt, berichtet AKV-Experte Franz Blantz der Kleinen Zeitung, sollen bei der KTM AG rund 200, bei der F&E rund 250 und bei der Components rund 50 Stellen wegfallen. In Summe also rund 500 Stellen – und das nur im ersten Monat. Im zweiten Monat sollen weitere 250 wegfallen, 200 bei der AG und 50 bei der Components. 750 weitere Stellen fallen also in den ersten zwei Monaten der Sanierung weg. Die Insolvenzgläubiger sollen eine Quote von 30 Prozent, zahlbar innerhalb von zwei Jahren nach Annahme des Sanierungsplanes, erhalten.
Der KSV1870 zitiert aus dem Antrag der KTM AG: Obwohl das Jahr 2024 laut den Angaben des Unternehmens mit rund 265.000 verkauften Motorrädern von den Verkaufszahlen her bis dato ein gutes Jahr war, erwiesen sich die Lagerbestände schlussendlich als zu hoch. Der Motorrad-Überbestand liegt aktuell bei rund 130.000 Stück. Probleme verursachte insbesondere der für die Schuldnerin so wichtige Markt in den USA, einerseits aufgrund der rückläufigen Nachfrage für Motorräder, andererseits wegen der hohen Produktionskosten in Österreich, so die Schuldnerangaben. Daher habe man Mitte November 2024 „im Rahmen der pflichtgemäß durchgeführten Prüfung der Möglichkeiten einer außergerichtlichen Sanierung seinen notwendigen Bedarf an frischem Geld im Umfang von rund 650 Millionen Euro offengelegt. „Da die Verhandlungen mit wesentlichen Stakeholdern nicht innerhalb der kurzen zur Verfügung stehenden Frist umgesetzt werden konnten, entschied man sich zum gegenständlichen Insolvenzantrag.“
Karl-Heinz Götze vom KSV1870 betont: „Wir werden nach Verfahrenseröffnung auf detaillierte Informationen zum Nachweis der Finanzierung dieser Quote drängen und uns für das bestmögliche wirtschaftliche Ergebnis für die Insolvenzgläubiger einsetzen.“
Was ist ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung?
Aufgrund der KTM-Insolvenz wackeln aber auch viele Jobs in anderen Betrieben, sagt die Leiterin des AMS Oberösterreich, Iris Schmidt. Das Unternehmen hatte angekündigt, die Dezembergehälter frühzeitig, nämlich bereits nächste Woche nach Eröffnung des Sanierungsverfahrens, auszubezahlen. Laut Arbeiterkammer Oberösterreich (AK OÖ) wird die Pierer-Mobility-Tochter die Löhne und Gehälter für November sowie die Weihnachtsgelder aber nicht mehr bezahlen. Das muss dann der Insolvenzentgeltfonds IEF übernehmen.
„Ein riesengroßer Schlag“
„Für Mattighofen ist natürlich so eine große Insolvenz eines so großen Unternehmens ein riesengroßer Schlag“, sagte die Leiterin des Arbeitsmarktservice Oberösterreich, Iris Schmidt, im Ö1-„Morgenjournal“. Davon dürften auch Arbeitsplätze in anderen Betrieben der Region gefährdet sein. „Grundsätzlich sagt man, auf einen Industriemitarbeitenden fallen zwei weitere Arbeitsplätze. Ich hoffe nicht, dass das in dieser Dimension eintreten wird.“
Derzeit versuche man gerade, Stiftungsmodelle für die Region und generell für Oberösterreich auszuloten, sagte Schmidt. Oberösterreich sei das Industriebundesland schlechthin und man sehe schon seit Monaten, dass die Unternehmen redimensionieren. Ein industrieorientiertes Land mit hohem Exportanteil sei von der Rezession besonders stark betroffen. „Das bedeutet für uns als AMS, wir haben jetzt durchschnittlich plus 18 Prozent bei den letzten Zahlen an Zugängen in die Arbeitslosigkeit gehabt im Vergleich zum Vorjahr. Es ist allerdings so, dass wir Bezirke haben, wo sich das mit 39,8 Prozent beziehungsweise nur - unter Anführungszeichen - acht Prozent darstellt. Und da sieht man schon, also Oberösterreich ist im Moment wirklich gebeutelt, was das betrifft.“
CEO und Kernaktionär Stefan Pierer hatte bereits im Lauf der Woche betont: „Wir sind in den letzten drei Jahrzehnten zu Europas größtem Motorradhersteller gewachsen. Die Marke KTM ist mein Lebenswerk und dafür kämpfe ich.“
Bereits am Montag hatte die mittelbar an der KTM AG beteiligte Pierer Industrie AG von Stefan Pierer ein sogenanntes Europäisches Restrukturierungsverfahren eingeleitet, das bereits eröffnet worden ist.