Volkswagen schließt im Rahmen des Sparprogramms bei der Kernmarke VW Werkschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht länger aus. Zudem wird die bisher geltende – nahezu legendäre – Beschäftigungssicherung für 110.000 Beschäftigte in Deutschland aufgekündigt, die betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 ausschloss. Dies teilte Deutschlands größter Autobauer nach einer spontan einberufenen Führungskräftetagung am Montag mit.

Der Vorstand stellte ein entsprechendes Programm dem Betriebsrat vor. VW-Chef Oliver Blume sagte bei der Führungskräfteveranstaltung, die Autoindustrie befinde sich in einer sehr anspruchsvollen und ernsten Lage. Der Standort Deutschland falle bei der Wettbewerbsfähigkeit weiter zurück. „In diesem Umfeld müssen wir als Unternehmen jetzt konsequent agieren.“ Österreich hat eine große Zulieferindustrie die im Besonderen die großen deutschen Autobauer beliefert.

„Alle deutschen Standorte im Fokus“

Betriebsratschefin Daniela Cavallo warf dem Vorstand Versagen vor und kündigte Widerstand gegen die Pläne an. „Mit uns wird es keine Standortschließungen geben“, sagte sie in einer internen Mitteilung. „Anstatt sich einseitig zulasten der Belegschaft kaputtzusparen, muss jetzt ein strategischer Befreiungsschlag her mit Schub für die eigentlichen Baustellen: Produkt, Komplexität, Prozessabläufe, Synergien.“ Das sei kein Thema für die Marke VW, sondern für den gesamten Konzern.

In einer Mitteilung des Betriebsrats hieß es, das Management halte mindestens ein größeres Autowerk sowie eine Komponentenfabrik für überflüssig. „Damit geraten alle deutschen Standorte in den Fokus – egal ob Standort der Volkswagen-AG oder Tochter-Standort, egal ob west- oder ostdeutsch“, hieß es. Welche Werke konkret wegfallen könnten, blieb zunächst offen.

Fehlen fünf Milliarden?

VW hatte ein Sparprogramm aufgelegt, mit dem das Ergebnis bis 2026 um zehn Milliarden Euro gesteigert werden sollte. Das sah auch einen Stellenabbau vor. VW-Markenchef Thomas Schäfer sagte, das Programm zeige Wirkung, der Gegenwind sei jedoch deutlich stärker geworden. Medienberichten zufolge fallen die Einsparungen in diesem Jahr um mehrere Milliarden Euro geringer aus als eigentlich geplant.

VW-Aktien

An der Börse drehten die VW-Aktien nach der Ankündigung ins Plus. „In Summe ist zu viel Kapazität da“, sagte Stifel-Analyst Daniel Schwarz. Letztlich dürfte dort ein Werk geschlossen werden, wo es politisch am besten durchgesetzt werden könne.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil sagte, die deutsche Automobilindustrie und auch der VW-Konzern seien in einer schwierigen Lage, die durch rückläufige Verkäufe und ein neues Wettbewerbsumfeld gekennzeichnet sei. Dass Handlungsbedarf bestehe, sei unstrittig. Dazu gehöre auch, die Kosten auf den Prüfstand zu stellen. Die niedersächsische Regierung unterstütze den Plan des Vorstands. Entscheidend sei nun aber, über das „wie“ der Einsparungen zu diskutieren. „Dabei erwarten wir, dass sich die Frage einer Schließung von Standorten durch die erfolgreiche Nutzung von Alternativen schlichtweg nicht stellt.“ Das Land Niedersachsen hält ein Fünftel der Stimmrechte bei VW.

Überfälliger Weckruf?

ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski sagte, die Entwicklungen bei VW zeigten, was die langfristigen Folgen von jahrelanger wirtschaftlicher Stagnation und struktureller Veränderung in einem Umfeld ohne Wachstum seien. „Sollte jetzt so ein industrielles Schwergewicht wirklich den Sparkurs verschärfen und Werke schließen müssen, ist es vielleicht der überfällige Weckruf, dass die bisherigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen deutlich aufgestockt werden müssen.“ VW ist der größte industrielle Arbeitgeber in Deutschland.

Bereits bei der Vorlage der Geschäftszahlen zum ersten Halbjahr hatte VW-Finanzchef Arno Antlitz zusätzliche Anstrengungen angemahnt, um die Margenziele zu erreichen. In der ersten Jahreshälfte hatte der Autobauer zwar mehr Umsatz erwirtschaftet, der Gewinn ging jedoch zurück. VW begründete das mit den Kosten für Abfertigungen und die mögliche Schließung des Audi-Werks in Brüssel. Doch zugleich macht dem Unternehmen der steigende Anteil von Elektroautos zu schaffen. Mit den strombetriebenen Fahrzeugen erwirtschaftet VW noch auf längere Sicht nicht so hohe Renditen wie mit Verbrennern.