In diesem Jahr geht es Schlag auf Schlag. Der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern Nestlé wechselt – durchaus überraschend – nach acht Jahren gerade seinen Vorstandsboss aus. Ulf Mark Schneider wird beim Schweizer Riesen durch Laurent Freixe ersetzt, derzeit Lateinamerika-Chef und seit 1986 für Nestlé tätiges Konzernurgestein. Der britische Gigant Unilever spaltet wiederum sein Eis-Geschäft ab (Ben & Jerry’s, Cremissimo, Magnum, Langnese, Eskimo), bringt einen milliardenschweren Aktienrückkauf sowie den Abbau Tausender Stellen auf den Weg. Und über den US-Snackgiganten Mondelez (u. a. Milka, Oreo, Toblerone, Daim) wurde im Mai von der EU wegen illegalen und preissteigernden „Schoko-Absprachen“ eine Strafe von 337,5 Millionen Euro verhängt, bisherige EU-Rekord-Geldbuße gegen einen Lebensmittelhersteller.

Für das wohl größte Aufsehen in der marktmächtigen Branche mit ihren abertausenden allgegenwärtigen Marken, hinter denen vielfach aber nur wenige globale Konzerne stehen, sorgt derzeit aber wohl der US-amerikanische Mars-Konzern. Für umgerechnet 33 Milliarden Euro wird Kellanova geschluckt, bis zur Aufspaltung im Vorjahr besser bekannt als Kellogg Company, kurz Kellogg’s. Das bekannte Cornflakes-Portfolio ist zum größten Teil in der nun eigens börsennotierten WK Kellog gebündelt. Bei Kellanova finden sich aber nicht minder bekannte Marken wie die Pringles-Chips, Cheez-Its oder Rice Krispies.

2012 kaufte Kellogg‘s den Chipshersteller Pringles von Procter & Gamble, nun holt sich Mars für die Rekordsumme von umgerechnet 33 Milliarden Euro die gesamte Kellanova ins Haus
2012 kaufte Kellogg‘s den Chipshersteller Pringles von Procter & Gamble, nun holt sich Mars für die Rekordsumme von umgerechnet 33 Milliarden Euro die gesamte Kellanova ins Haus © IMAGO/Manfred Segerer

Süßes, Saures, Salziges – hier verschmilzt so einiges. Wobei das längst nicht alle Betätigungsfelder der Unternehmen sind. Mars hat neben Twix, M&Ms, Bounty, Milky Way, Snickers, Maltesers, Balisto u. a. auch ein Tierfutter-Imperium geschaffen (u. a. Pedigree, Whiskas, Sheba, Kitekat, Frolic, Cesar, Chappi). Auch der Reisriese Ben’s Original (bis 2021 Uncle Ben’s) und Mirácoli gehören zum Mars-Konzern. Und nicht zuletzt der mit Abstand weltgrößte Kaugummiproduzent: Wrigley. Mit Marken wie Airwaves, Hubba Bubba, Spearmint, Juicy Fruit, Doublemint, Extra, Orbit oder Eclipse. Wrigley war 2008 um knapp 17 Milliarden Euro übernommen worden. Und jetzt also Kellogg’s.

Der Zusammenschluss legt auch den Blick auf spektakuläre Unternehmensgeschichten frei. Geprägt von Ehrgeiz, Innovationskraft und Zufall.  

Mars, heute die zweitreichste Familie der Welt

Mars nimmt ohnehin eine Sonderrolle ein. Bis heute ist das 1911 gegründete Unternehmen voll in Familienhand, die gleichnamige, öffentlichkeitsscheue Dynastie ist mit einem Vermögen von 160 Milliarden Dollar die zweitreichste Familie der Welt. Dabei hatte Frank C. Mars gemeinsam mit seiner Frau Ethel einst noch in der Küche seiner Mutter in Tacoma, Washington, mit der Herstellung und dem Verkauf von Buttercreme-Süßwaren begonnen. Mit seinem Sohn Forrest Mars, später verband sie ein konfliktbeladenes Verhältnis, hatte er 1923 den Milky-Way-Riegel erfunden – auf Basis eines Milchshake-Rezepts. 1930 folgte Snickers, benannt nach dem Lieblingspferd der Familie.

Milky Way war 1923 der erste Schoko-Riegel, den die Familie Mars hergestellt hat, 1930 folgte „Snickers“, benannt nach dem Lieblingspferd der Familie
Milky Way war 1923 der erste Schoko-Riegel, den die Familie Mars hergestellt hat, 1930 folgte „Snickers“, benannt nach dem Lieblingspferd der Familie © Adobe Stock

Nicht weniger erstaunlich gestaltete sich der Aufstieg der Familie Wrigley. Denn William Wrigley junior war ab 1891 in Chicago ursprünglich wie sein Vater als Seifenhersteller tätig. Als eine Art Kundenbindungsprogramm gab’s zur Seife ein Packerl Backpulver dazugeschenkt, das kurbelte den Verkauf an, daher produzierte er bald auch Backpulver – und legte als Aufmerksamkeit jeweils zwei Streifen Kaugummi bei. Ein voller Erfolg. Schnell wurde er auch zum Kaugummihersteller. Die einstige „Beilage“ wurde schließlich zum Hauptgeschäft, ab 1893 mit der ersten eigenen Marke, Wrigley Juicy Fruit, es folgten Spearmint und Doublemint – alle drei Sorten gibt’s bis heute.

Wrigley, seit 2008 Teil des Mars-Konzerns, ist mit Kaugummi-Marken wie Airwaves, Hubba Bubba, Spearmint, Juicy Fruit, Doublemint, Extra, Orbit oder Eclipse Weltmarkführer. Die erste Wrigley-Marke war 1893 „Juicy Fruit“
Wrigley, seit 2008 Teil des Mars-Konzerns, ist mit Kaugummi-Marken wie Airwaves, Hubba Bubba, Spearmint, Juicy Fruit, Doublemint, Extra, Orbit oder Eclipse Weltmarkführer. Die erste Wrigley-Marke war 1893 „Juicy Fruit“ © Adobe Stock

Den höchsten Skurrilitätsfaktor weist aber die Firmenhistorie der Kelloggs auf. Denn John Harvey Kellogg übernahm 1876 im Alter von erst 24 Jahren, als gerade frisch promovierter Arzt, die Leitung des Sanatoriums in Battle Creek (Bundesstaat Michigan). Dort ging es ihm früh um die geistige und körperliche Ertüchtigung seiner Patienten, auch Ernährung spielte eine wichtige Rolle. Seine wirren bis irren Methoden, seine Enthaltsamkeitsobsessionen ließen ihn Jahrzehnte später sogar zur Romanfigur von T. C. Boyle und zur Filmfigur, gespielt von Anthony Hopkins, werden. Doch ab 1894 entwickelte er, gemeinsam mit seinem Bruder Will Keith Kellogg, auch ein Weizenprodukt, das bissfest war – die Grundlage für den späteren Welterfolg: die Cornflakes.

Das Kellogg‘s-Cornflakes-Imperium
Das Kellogg‘s-Cornflakes-Imperium © Imago/Michael Gstettenbauer