Energiekrise, Sonntagsfahrverbot, endlose Diskussionen. Nein, wir sind nicht mittendrin im Heute, wir haben uns in die 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückgeblendet. Geschichte wiederholt sich, eben.

Schnitt. Es brodelt im Heck. Kurz vom Gas, Fehlzündungen sind die Antwort. Rauf aufs Gas, der Sechszylinder-Turbo geht im Kanon mit, irgendwie gemächlich, der Motor wird lauter, ein Pfeifen, und plötzlich, diese Urkraft, die wie aus dem Nichts maximale Schubkraft gibt. 50 Jahre hat dieser Porsche 911 auf dem Buckel, Modellcode 930. Das Urmeter aller Turbos schafft es auch nach 50 Jahren sprachlos zu machen.

Ebbe und Spitznamen

Dabei war der Turbo vor 50 Jahren schon ein alter Hut. Gottfried Daimler und Rudolf Diesel arbeiteten sich schon an der Technik ab, 1905 hatte der Schweizer Ingenieur Alfred Büchi dazu ein Patent eingereicht. Stark vereinfacht erklärt: Durch die Verdichtung von Luft soll die Motorleistung gesteigert und der Kraftstoffverbrauch letztlich reduziert werden. Der Abgasturbolader fand nach Jahrzehnten auch in den Sprachgebrauch (wieder verwendete Abgase zum Antrieb einer Turbine). Maximaler Leistungsdruck, sozusagen.

Aber es war ein weiter Weg, den Porsche erst beschreiten musste. Fast so lange wie das legendäre Turboloch, denn ehe die Schubkraft einsetzt war Ebbe bei der Kraftentfaltung. Das machte diese erste Generation von Turbos auch so schwer beherrschbar. Das bescherte Porsche ein paar unschöne Spitznamen, darunter Witwenmacher.

Zwang zum Turbo

Porsche war damals in die Turbo-Technologie gezwungen worden. Rennsport-Reglements veränderten sich am laufenden Band, mehr Leistung war aus den klassischen Saugermotoren nicht herauszuholen. Der 917er/10 war der Vorbote aus dem Rennsport. Als man den ersten Turbo-Prototypen zum 911er auf den großen Autoshows zeigte, war alles nur Show. Im Heck lag ein Holzstapel statt eines Motors, man war mitten in der Entwicklung, die erst 1974 zu einem Ende kam. Aber von welcher Güte, Ende gut, alles gut: 260 PS, 0 auf 100 in damals spektakulären 5,5 Sekunden, Spitze 250 km/h und ein Kaufpreis, dass die Kunden zwar die Ohren anlegten, aber die Brieftasche öffneten. Obwohl andere Hersteller längst mit dem Turbo spielten und Modelle gebracht hatten, überholte der Porsche technisch alle und wurde zu einem Sensationserfolg, der dem Turbo die Straße frei machte.

Turbo-Diversität

Das reicht bis heute, in Zeiten der Diversität. Kleine Dreizylinder anderer Hersteller werden heute genauso selbstverständlich aufgeladen wie Turbodieselmotoren seit Jahrzehnten. Und fährt man die Dreizylinder artgerecht im richtigen Drehzahlfenster, kann man sie auch sparsam fahren. Der Turbo ist aus der modernen Motorentechnik nicht mehr wegzudenken. Auch ohne Turbo im Titel ist ein Turbo drin.

Leistung, Leistung, Leistung

Beim Porsche 911 war der Verbrauch freilich nie die Hauptmotivation, es war immer die Leistung, die Leistung, die Leistung. Fragt man bei Turbo-Liebhaber und Ex-Rallye-Weltmeister Walter Röhrl nach, der das Gaspedal auch streicheln kann, sind es aber genau die Verbrauchswerte, die ihn beim heutigen Turbo S (der stärkste Turbo, 0 auf 100 km/h in 2,7 Sekunden!) staunen lassen. Mit 650 PS und knapp einstelligen Verbrauchswerten unterwegs zu sein,sei mit so einem Auto „keine Kunst“. Walter im bayrischen O-Ton: „Es ist kein Problem unter zehn Litern zu fahren. Der aktuelle 992 Turbo S ist das beste Auto, das ich bisher gefahren bin. Leistung, Komfort, Bandbreite bei den Einsatzmöglichkeiten, vom Semmel holen beim Bäcker bis zur Rennstrecke, kein anderes Auto, kein anderer Supersportwagen schafft diesen Spagat. Und: Der heutige Turbo ist mit Sicherheit das am leichtesten zu fahrende Supersportauto der Welt.“

Neubeginn Hybridisierung

Inzwischen hat Porsche das Ende jedoch des klassischen Turbos eingeleitet, neue Abgasnormen zwingen die Ingenieure in die Hybridisierung. Wir befanden bereits: Der neue 911er GTS wurde erstmals hybridisiert, für die Benzinbrüder ein Schock, ähnlich wie der Wechsel von Luft- auf Wasserkühlung, was die Puristen damals schwer irritierte. Aber diesmal geht der Gedanke beim GTS viel weiter. Neuer Sechszylinder-Boxermotor mit 3,6 l Hubraum, elektrisch unterstützter Turbolader, das sogenannte T-Hybrid System mit seinem elektrischen Abgasturbolader (E-Maschine zwischen Verdichter- und Turbinenrad) pusht den Lader viel schneller auf Drehzahl, um den Ladedruck hochzufahren. Die Leistungsdaten ähneln jetzt sogar einem E-Auto.

Um das System elektrisch fortwährend mit Energie zu versorgen braucht man eine spezielle Batterie, die extrem schnell Energie aufnehmen und abgeben kann. Varta entwickelte so eine Batterie – und bevor das marode Unternehmen in andere Hände fällt, steigt Porsche selbst ein und schreibt damit auch Wirtschaftsgeschichte. Porsche braucht die Varta-Technologie für die nahe Zukunft: Auch der aktuelle 911er-Turbo, das Spitzenmodell der Serie, wird hybridisiert. Porsche selbst schweigt dazu. Man muss aber kein Prophet sein, um zu wissen, dass es so kommen wird – und muss.

Hommage an den ersten Turbo

Zum 50er des 911 Turbo feierte man davor aber eine kleine, feine Weltpremiere: Interieur und Exterieur sind gezeichnet von stilistischen Zitaten historischer 911 Turbo-Modelle. Limitiert ist das Modell „911 Turbo 50 Jahre“ auf 1974 Exemplare – die Anspielung auf das Geburtsjahr des Turbos. Heckflügelblatt, Heckunterteil, Spiegelfuß und Lufteinlassblenden sind in Anthrazitgrau lackiert, Turbonit ist die geschichtsträchtige Farbwahl und das Schottenkaro McKenzie hält außerdem Einzug ins Interieur. Für die Geschichtsbücher, halt.