„Zum Glück haben wir vorgesorgt“, sagt Stefanie Rud, Geschäftsführerin des international tätigen Familienunternehmens Ortner Reinraumtechnik in Villach, das 220 Mitarbeitern Arbeit gibt. „Ein Personalabbau ist bei uns nicht angedacht. Aber wir sind mehr als vorsichtig beim Aufbau von Stellen. Die Lage ist ernst.“

Die Kärntner Industrie steht wie auch die gesamtösterreichische vor dem dritten Rezessionsjahr in Folge. Sie wird gebremst durch hohe Kosten – für Personal, Energie, Steuern und Abgaben, Inflation. Der bürokratische Aufwand steigt. In den vergangenen fünf Jahren sind allein auf EU-Ebene 850 neue Verpflichtungen und Normen auf die Unternehmen zugekommen in Form von 5000 Seiten voller Rechtsvorschriften. Die Kärntner Industriebetriebe müssen Mitarbeiter beschäftigen, die allein für die Einhaltung der Vorschriften und Berichtspflichten an Behörden da sind – nicht für das operative Geschäft. „Auch wir müssen immer mehr unproduktive Stellen schaffen und teure Beratungsleistungen zukaufen“, berichtet Treibacher-Industrie-Vorstand René Haberl.

Während der Aufwand steigt, sinkt der Ertrag, also der erzielte Erfolg der Unternehmen in deren Kerngeschäft. Bei der aktuellen Konjunkturumfrage der Kärntner Industrie gehen 80 Prozent der Betriebe von einer maximal durchschnittlichen Ertragslage aus, 20 Prozent von einer schlechten, berichten Industriellenpräsident Timo Springer und IV-Geschäftsführerin Claudia Mischensky. Haberl macht keinen Hehl daraus: „Die Gemengelage ist verheerend. Die 25-prozentige Steigerung bei Löhnen und Gehältern bringen wir über Produktivitätszuwächse nicht weg. Die Wettbewerbsfähigkeit leidet massiv. Sie ist zum Teil nicht mehr gegeben. Ich befürchte eine Lawine.“

IV-Präsident Timo Springer, IV-Geschäftsführerin Claudia Mischensky. „Verheerende Gemengelage“
IV-Präsident Timo Springer, IV-Geschäftsführerin Claudia Mischensky. „Verheerende Gemengelage“ © KLZ / Eva Gabriel

Aufschwung im Herbst? Außer Sichtweite. Die Schwächephase hat einen derartigen Tiefpunkt und eine derartige Dauer erreicht, dass die Kärntner Industriebetriebe offen aussprechen, Mitarbeiter abbauen zu müssen. Ein Viertel der jüngst befragten 61 Kärntner Unternehmen – sie beschäftigen gesamt 22.000 Mitarbeiter – rechnet damit, in den kommenden drei Monaten Stellen zu streichen. Nicht ein einziges gibt an, welche aufzubauen. „Und Personal zu halten, wird immer teurer“, so Springer. „Dabei gewährleisten gerade Industriearbeitsplätze Wohlstand. Jeder Industriearbeitsplatz – insgesamt ein Viertel der Arbeitsplätze in Österreich – trägt 30.000 Euro zum Sozialstaat bei.“

Stefanie Rud, CEO von Ortner Reinraumtechnik: „Es ist ernst“
Stefanie Rud, CEO von Ortner Reinraumtechnik: „Es ist ernst“ © Hannes Pacheiner
Treibacher-Industrie-Vorstand René Haberl: „Immer mehr unproduktive Stellen“
Treibacher-Industrie-Vorstand René Haberl: „Immer mehr unproduktive Stellen“ © Weichselbraun

Wie ernst die Situation ist bzw. wie sehr Österreichs internationale Wettbewerbsfähigkeit in Gefahr ist, signalisiert ein noch nie dagewesener Hilferuf der Industrie. „SOS-Wohlstand“ lautet er, versteht sich aber nicht als Anklage, sondern als Abhilfe, denn er beinhaltet Vorschläge für Maßnahmen: Lohnnebenkosten senken, die Steuerquote bis 2030 von derzeit 43,2 Prozent auf 40 Prozent senken, Wirtschaftsunterricht als Allgemeinbildung in die Schulen, Freihandelsabkommen und internationale Allianzen schließen, um den Export anzukurbeln, Pensionsreformen angehen und das faktische Pensionsantrittsalter von derzeit 60,9 Jahren an das OECD-Niveau von 63,1 Jahren angleichen.

„Bis 2050 wird die Pensionslücke in Österreich eine Billion Euro betragen. Schon jetzt betragen unsere Pensionskosten das Vierfache der Investitionen in Forschung und Entwicklung“, präzisiert Springer. Auch ein Befreiungsschlag aus dem „Bürokratiewahnsinn in Europa und Österreich“ steht auf der Forderungsliste von „SOS-Wohlstand“. „Und wir sollten baldigst den steuerlichen Nachteil von Vollzeit- gegenüber Teilzeitarbeit beheben“, ergänzt Mischensky.