Kärnten hat in den vergangenen drei Jahrzehnten dreimal mehr Fördermittel aus Brüssel bekommen, als es seinem Anteil an den österreichischen EU-Nettozahlungen entspricht. Dies betonte der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) am Freitag bei einer Podiumsdiskussion mit EU-Budgetkommissar Johannes Hahn in Pörtschach. „Wir haben positiv bilanziert“, sagte Kaiser. „Mehr als drei Milliarden Euro“ an EU-Förderungen stehe eine Milliarde Euro an EU-Nettobeitrag gegenüber.

Diskussion ist überholt

Hahn wertete die Berechnungen Kaisers als Bestätigung für seine Position, „dass diese Diskussion zwischen Nettozahlern und -empfängern völlig überholt ist“. Er wies darauf hin, dass Nettozahlerstaaten wie Deutschland und Österreich wirtschaftlich doppelt so stark vom gemeinsamen Binnenmarkt profitieren wie Nettoempfängerstaaten.

Kärnten als „leuchtendes Beispiel“

Der frühere ÖVP-Minister zog diesbezüglich auch einen Vergleich zum innerstaatlichen Finanzausgleich in Österreich. „Ich weiß nicht, wie viele Menschen wissen, welche Länder Nettozahler und Nettoempfänger (in Österreich, Anm.) sind. Das ist gut so“, betonte Hahn bei der vom „Forum Velden“ ausgerichteten Veranstaltung. Der EU-Kommissar lobte Kärnten als „leuchtendes Beispiel“ für grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Europa und würdigte auch das EU-Engagement Kaisers. „Da bist Du der einzige Landeshauptmann, der regelmäßig in Brüssel aufschlägt und sich engagiert“, sagte Hahn, der Österreich seit 15 Jahren in der Brüsseler Behörde vertritt.

Fehlende Kompromissfähigkeit

„Für Regionen ist es wichtig, dass wir permanent Präsenz haben“, betonte Kaiser unter anderem mit Blick auf den Ausschuss der Regionen, in dem Ländervertreter beratend auf den EU-Entscheidungsprozess Einfluss nehmen. In deutlicher Anspielung auch auf die österreichische Innenpolitik beklagte Kaiser, dass die Kompromissfähigkeit „immer mehr in der Politik aus dem Wortschatz verschwindet“. Gerade auf EU-Ebene, wo die Interessen von 27 Staaten unter einen Hut gebracht werden müssten, sei dies aber essenziell.

„Das ist ein Irrweg“

Deutliche Kritik übten Kaiser und Hahn an der neuen politischen Heimat der FPÖ auf EU-Ebene, die sich „Patrioten für Europa“ nennt. Statt eines Europas der Vaterländer „unter dem irreführenden positiven Aspekt des Begriffs Patriotismus“ brauche es eine „starke supranationale, gemeinsame kompromissbereite europäische Politik“, betonte Kaiser. „Wirklich patriotisch“ sei man, wenn man danach trachtet, „die Interessen jeder Einheit, von Pörtschach bis Österreich bis Europa“ wahrzunehmen, sagte Hahn. „Zu glauben, durch das Hochziehen von Zäunen, Grenzen und Wällen kann man die eigenen Interessen besser schützen: Das ist ein Irrweg.“

„Konditionen werden nicht besser“

Global werde sich Europa nur behaupten können, wenn es seine Interessen stärker vertrete, brach Hahn eine Lanze für die Abschaffung des Vetorechts in der EU-Außenpolitik, aber auch für den Abschluss von Handelsverträgen mit anderen Regionen. Mit den lateinamerikanischen Mercosur-Staaten habe es vor fünf Jahren ein fertig verhandeltes Abkommen gegeben, doch aufgrund des europäischen Zögerns wollen sich die Lateinamerikaner den Text nun „neu anschauen“, weil sich „die Welt weiter gedreht“ habe. „Ich kann garantieren: Das Anschauen wird nicht damit enden, dass die Konditionen aus europäischer Sicht besser werden“, so Hahn mit Blick darauf, dass die europäischen Staaten als Handelspartner in der Region gegenüber China massiv ins Hintertreffen geraten seien.

„Deutschkurse ab dem ersten Tag“

Kaiser, Hahn und der Präsident der Kärntner Wirtschaftskammer Jürgen Mandl brachen in der Podiumsdiskussion auch eine Lanze für reguläre Migration. Mandl betonte, dass es in Kärnten trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten aktuell 5500 offene Stellen gebe und man nun gezielt weltweit nach Arbeitskräften suche. Die solcherart angeworbenen Menschen sollen auch von Anfang an betreut werden, versprach Mandl. Kaiser unterstrich ebenfalls die Bedeutung von Integration und jene Maßnahmen, die Länder diesbezüglich selbst beschließen können. So wolle man in Kärnten „ab dem ersten Tag mit Deutschkursen anfangen, da ist nichts verhaut“, sagte er. Migranten müssten die Integrationsmaßnahmen aber auch mit Konsequenz einzahlten, „ansonsten hat man die Möglichkeit verwirkt, bei uns diese neue Heimat zu finden“, sagte der führende Autor des SPÖ-Migrationspapiers.