Im Oktober 1893 nahm Wietersdorfer als Cementwerk im Herzogtum Kärnten die Produktion auf. Inzwischen hat sich das Familienunternehmen mit Sitz in Klagenfurt derart internationalisiert, dass es 89 Produktions- und Vertriebsstandorte in 47 Ländern betreibt bzw. in 110 Länder verkauft und 3300 Mitarbeiter beschäftigt. Vor allem die USA und Südamerika werden als Märkte immer wichtiger für den Baustoff- und Rohre-Produzenten. So wichtig, „dass die USA mit 195 Millionen Euro Umsatz 2023 erstmals zu unserem umsatzstärksten Markt geworden sind und damit Österreich, unseren Heimmarkt, überholt haben“, berichtet CEO Michael Junghans. Der (Umsatz-)Anteil von Europa ist hingegen von 80 auf 70 Prozent zurückgegangen.

Trotz der rückläufigen Baubranche, die für Wietersdorfer so wichtig ist, entwickelten sich alle fünf Geschäftsfelder positiv. Die glasfaserverstärkten Kunststoff-Rohre verzeichneten sogar fast 20 Prozent Zuwachs - sie sind damit der umsatzstärkste Geschäftsbereich, den Wietersdorfer zuletzt mit dem Zukauf der lateinamerikanischen O-tek Gruppe noch aufgewertet hat. Junghans: „Internationalisierung und ein breites Portfolio sind eine Stärke, die uns trägt.“ Die Zahlen geben ihm recht: Der Umsatz stieg um zehn Prozent auf mehr als eine Milliarde Euro, auch weil Wietersdorfer Preiserhöhungen am Markt „unterbringen“ konnte. „Unsere Ebit-Marge liegt im guten zweistelligen Bereich. Unsere Eigenkapitalquote beträgt 60 Prozent“, so Finanzvorstand Hannes Gailer.

Wietersdorfer-Vorstandschef Michael Junghans, Finanzvorstand Hannes Gailer beim Bilanz-Gespräch in Klagenfurt
Wietersdorfer-Vorstandschef Michael Junghans, Finanzvorstand Hannes Gailer beim Bilanz-Gespräch in Klagenfurt © Assam

Die aktuellen Großprojekte spiegeln den Bedarf an Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung. So baut das Wietersdorfer-Unternehmen Hobas in Texas eine Rohrwickelanlage für Trinkwasser. Volumen: vier Millionen US-Dollar. „Das durchschnittliche Alter des US-Wasserversorgungsnetzes beträgt 45 Jahre“, sagt Junghans. „Das bedeutet einen täglichen Trinkwasserverlust durch Leckagen von rund 16 Prozent.“ In Lateinamerika wiederum hat einer von vier Menschen keinen Zugang zu Trinkwasser - und nur die Hälfte der Haushalte einen Anschluss ans Abwassersystem. Der Investitionsbedarf in Höhe von mehreren hundert Milliarden US-Dollar ist ein enormes Potenzial für Wietersdorfer. Aktuelle Projekte: Eine Trinkwasserversorgung am Fluss Paraná in Argentinien, ein Entwässerungssystem in Bogotá/Kolumbien, eine Bewässerungsanlage am Canal Centenario in Mexiko. Junghans: „Die Marktsituation in Lateinamerika ist exzellent, auch, weil immer mehr Produktion von China dorthin verlagert wird. Daher ist auch Infrastruktur gefragt.“ Gailer sagt: „Wir werden uns weiter geografisch diversifizieren.“

Grüne Transformation ist der zweite wesentliche Schwerpunkt des Familienunternehmens, das sich vorgenommen hat, bis 2035 CO₂-neutral zu sein. Als Leuchtturmprojekt nennen Junghans und Gailer die CO₂-Neutralität ihres Amiblu-Rohre-Werkes in Spanien, das durch PV-Anlagen und Kompensation durch Aufforstung des Borela-Waldes bereits CO2-neutral ist.

Die Erwartungen für 2024 sind gedämpft, aber nur, was die Märkte Österreich und Deutschland bzw. Europa angeht: Die Tatsache, dass weniger Immobilien, weniger Häuser gebaut werden, kann ein Zement und Beton-Hersteller nicht einfach so wegstecken. Auch die Generation Z beeinflusst das Geschäft. „Die Jungen leben lieber im Hier und Jetzt anstatt Verzicht zu üben für ein Eigenheim.“ Trotzdem herrscht bei Wietersdorfer noch die Hoffnung der Bergleute. Die Bilanzpräsentation wird mit „Glück auf!“ beendet.

Mit glasfaserverstärkten Rohren der Wietersdorfer- Tochter O-tek wird die Trink- und Abwasserinfrastruktur in Lateinamerika ausgebaut
Mit glasfaserverstärkten Rohren der Wietersdorfer- Tochter O-tek wird die Trink- und Abwasserinfrastruktur in Lateinamerika ausgebaut © O-tek