„Schreiben Sie jetzt Ihre drei größten Ängste auf, und ich verspreche Ihnen, zumindest eine wird sich in Kürze in Luft auflösen“, sagt Kriminalpsychologe Thomas Müller, der sein Publikum bei Vorträgen gerne auf Gedankenexperimente mitnimmt. Beim Managementimpulskongress in Villach nutzte er vor einer großen Zahl an Wirtschaftstreibenden aus dem Süden Österreichs die Chance, einen anderen Blick auf das Thema Arbeitsplatzsicherheit zu werfen.

Müller, der als Fallanalytiker zum Starprofiler hochgelobt wurde, bringt seine Perspektive aus der Kriminalpsychologie auch in die Arbeitswelt ein. Privat wie beruflich identifiziert er eine wachsende Problematik, die er auf fünf Buchstaben verkürzt: Angst. „Das ist der stärkste Antrieb. Und nie waren Ängste, die sich um den Job, den sozialen Status, Freunde oder Geld drehen, so im Steigen, wie heutzutage“, so der Befund von Müller. Letztlich zeige sich das auch anhand der steigenden Anzahl an verschriebenen angstlösenden Medikamenten.

Der rezeptfreie Ansatz und gleichzeitig Karrieretipp des Kriminalpsychologen: „Wenn sie heute in der Lage sind, die Ängste ihrer Kollegen, Kunden, Vorgesetzten zu verstehen, ist das die Basis für den persönlichen Erfolg von morgen.“ Auf dem Weg dorthin müsse vor allem eines gelingen: der Perspektivenwechsel.

„Wir haben alle einen großen Feind“

Ein großer Feind arbeite diesem aber entgegen: „Unser eigenes Ego.“ Aber selbst wer mit offenen Augen durch den Betrieb geht, trifft auf Hürden. „Aus kriminalpsychologischer Sicht wird die Angst Teil eines Suchtverhaltens. Dass man sie gar nicht hergeben will, liegt neben der Scham oft an der Aufmerksamkeit, die wie eine Droge wirkt“, analysiert Müller. „Aber warum nehmen die Ängste immer mehr zu? Weil wir angstbehafteten Situationen radikal aus dem Weg gehen“, nimmt er alle in die Pflicht. Dadurch werde die Schwelle aber immer weiter herabgesetzt– als Auslöser braucht es dann umso weniger. Was das Lernen, mit Ängsten umzugehen, immer schwieriger mache. Die falsche Bewältigungsstrategie, die sich auch am Arbeitsplatz beobachten lässt: Manche versuchen ihre eigenen Ängste zu reduzieren, indem sie jene der anderen fördern. Und zwar über permanent versuchte Einflussnahme.

Nicht nur am Arbeitsplatz sei eine offene und ehrliche Kommunikation grundlegend und auch sicherheitsrelevant, denn: „Ursache für destruktives Verhalten, für Aggressionen, gegen sich selbst oder andere, ist meist eine schlechte, unglückliche, abgebrochene Form der Kommunikation.“ Die beste Sicherheitsförderung im eigenen Unternehmen und in der Familie: Anderen das Gefühl zu geben, wahr- und ernst genommen zu werden. „Die Macht des persönlichen Gesprächs darf nie unterschätzt werden. Die mächtigste Form der Kommunikation ist dabei nonverbal“, führt Müller aus. Die Arbeitswelt verändere sich gerade, was die Ungewissheit steigen lässt. Hier sei es nicht zuletzt die Aufgabe der Führungskräfte, Krisensituationen zu besprechen. Oder wie Müller es noch formuliert: „Sagen, was ist. Herumeiern vertragen die allerwenigsten.“