Es sind entscheidende Tage für eines der größten Unternehmen Südosteuropas und einen der bedeutendsten Konzerne Kroatiens: Unter dem Dach des Handels-, Nahrungsmittel- und Agrarkonzerns Fortenova sind nicht nur mehr als 2500 Standorte und Filialen (u. a. der Handelsketten Konzum in Kroatien, Mercator in Slowenien, Bosnien und Herzegowina und Serbien) sowie knapp 30 Produktionsstätten gebündelt, die von 30.000 Betrieben in ganz Südosteuropa beliefert werden. Fortenova ist mit insgesamt 47.000 Beschäftigten und einem Gruppenumsatz von mehr als 5,4 Milliarden Euro ein enormer Wirtschaftsfaktor.

Seit 2019 ist Fortenova die Nachfolgerin des größten kroatischen Privatkonzerns Agrokor, der Schulden von mehr als sechs Milliarden Euro angehäuft hatte und 2017 unter die staatliche Kuratel gesetzt wurde, um gerettet und saniert zu werden. Mittels eines Gläubigervergleichs wurde damals die russische Sberbank als größte Gläubigerbank – mit 42,5 Prozent der Anteile – zum größten Aktionär der kroatischen Fortenova-Gruppe.

Turbulente Jahre

Die Zuversicht, nach dieser Rettung eine nachhaltige Zukunft ansteuern zu können, währte aber nicht lange. Der russische Angriff auf die Ukraine und die daraus resultierenden Sanktionen – auch gegen russische Banken – sorgten für ein bis heute anhaltendes Gefecht um die Anteile. Bis Ende Oktober 2022 hatte die Sberbank Zeit, ihren über die Gesellschaft SBK Art gehaltenen 42,5-Prozent-Anteil an Fortenova zu veräußern. Doch sowohl der Verkauf an die ungarische Indotek als auch ein bereits in trockenen Tüchern gewähnter Deal der vier größten kroatischen Pensionsfonds scheiterten spektakulär – nach zuvor monatelangen Vorarbeiten, Prüfungen und Genehmigungsverfahren. Umso überraschender und aufsehenerregender fiel dann eine Wendung kurz vor Auslaufen des Ultimatums aus. Über das Wochenende trat ein Investor aus Dubai auf den Plan und kaufte die Sberbank-Anteile um gut 400 Millionen Euro, Mittel, die wiederum als Darlehen von der Gazprombank zur Verfügung gestellt wurden. Bis heute wird von einem Gros der anderen Aktionäre heftig kritisiert, dass weder eine Due-Diligence-Prüfung durchgeführt noch die Genehmigungen bei den zuständigen Behörden – auch auf EU-Ebene – beantragt worden seien. Die Sanktionen gegen SBK Art wurden vom EU-Rat ausgeweitet. Fortenova bestreitet angesichts der Sanktionen die Gültigkeit des Verkaufs.

Die niederländische Holdinggesellschaft von Fortenova hat schließlich in Zusammenarbeit mit der in Malta angesiedelten Gesellschaft Open Pass des einflussreichen kroatischen Geschäftsmanns Pavao Vujnovac eine neue Eigentümerstruktur geschaffen. Open Pass war mit 28 Prozent der Fortenova-Anteile größter nicht sanktionierter Aktionär und gab im November des Vorjahres bekannt, die benötigten Finanzmittel für die Übernahme bereitzustellen – in Summe 660 Millionen Euro.

Die stimmberechtigten Aktionäre bestätigten im Dezember – mit einer Mehrheit von 97 Prozent – die Übertragung der Aktien von der bestehenden niederländischen Holding auf eine neue Dachgesellschaft. Russische Banken hatten jedoch kein Stimmrecht bei der Aktionärsversammlung. Sie sollen ausbezahlt werden, so der damalige Beschluss. Das Geld liegt seither auf einem Treuhandkonto.

„Transaktion soll Anfang Juli erfolgen“

Die Entscheidungen werden von SBK Art angefochten, an mehreren Gerichten von Luxemburg über die Niederlande bis Kroatien und Malta wird prozessiert. Wie berichtet, wird u. a. die Rechtmäßigkeit und das Zustandekommen der Sanktionen angezweifelt. Bei Open Pass zeigt man sich unter Verweis auf bisher „fünf verschiedene Gerichtsverfahren, die Open Pass bzw. Fortenova in den Niederlanden, in Malta und in Kroatien gewinnen konnten“ indes zuversichtlich, wie Direktor Vladimir Tunjić auf Anfrage betont. Man hoffe, „dass wir die Entscheidung über die letzte Berufung der SBK noch vor Ende Juni erhalten“. Dann soll die „Transaktion Anfang Juli erfolgen“.

Die Berufung hatte SBK in Amsterdam eingelegt, die Anhörung geht dort ab morgen über die Bühne. „Open Pass und Fortenova erwarten, dass das Gericht eine Entscheidung trifft, die mit den in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen, die die Transaktion befürworteten, im Einklang steht“, so Tunjić.

Wettbewerbsrechtliche Genehmigung erfolgt

Darauf hofft man auch bei Fortenova. Kommunikationschefin Anja Linić betont: „Das Unternehmen war in den letzten zweieinhalb Jahren unter diesen extremen Bedingungen tätig, die uns stark beeinträchtigen, und wir sind an dem Punkt angelangt, an dem wir das Problem ohne weitere Verzögerungen lösen müssen.“

Daher sei die jüngste Entscheidung der EU-Kommission von „wesentlicher Bedeutung“: Die EU-Kommission hat am Mittwoch die wettbewerbsrechtliche Genehmigung für die Übernahme der alleinigen Kontrolle über die Fortenova Group MidCo B.V, die niederländische Holdinggesellschaft und Eigentümerin der Gruppe, durch Vujnovac erteilt. Tunjić spricht von einem „wichtigen Meilenstein“.