Die Weltmacht im Tourismus, sie ist nur einen Steinwurf weit vom Amsterdamer Hauptbahnhof Centraal entfernt, am Ende des Oosterdocks. Was viele nicht ahnen, die Buchungsplattform booking.com ist tatsächlich in der niederländischen Touristenhochburg zuhause. Hier, im spektakulären neuen Headquarter für 6500 der weltweit 11.000 Mitarbeiter laufen die Fäden des globalen Netzwerks zusammen, über das inzwischen mehr als eine Milliarde Übernachtungen gebucht werden.

Der Wille zu weiterem Wachstum ist am Oosterdock groß. Dass die Europäische Kommission die Plattform in den nächsten Monaten über den Digital Marktes Act stärker an die Kandare nehmen will, wird daran nichts ändern. Der Global Player, der seit einigen Jahren das größte Unternehmen der US-amerikanischen Booking Holding bildet, kooperiert nach eigenen Angaben eng mit Brüssel. In Amsterdam arbeitet man längst an der von Künstlicher Intelligenz geprägten Zukunft des Reisens. Innovation ist der zentrale Treiber, der zudem die Steuerzahlungen in den Niederlanden sehr niedrig hält.

Viel Gegenwind

Der Riese hat derzeit auch viel Gegenwind. Hotels dürfen sich inzwischen nicht mehr mit Rückendeckung der Plattform einfach das grüne Mäntelchen der Nachhaltigkeit umhängen. 16.500 österreichische Betriebe von insgesamt 46.000 Listings hatten sich früher auf der Plattform per Blättchen als „grün“ deklariert, jetzt, wo es unabhängige Zertifikate braucht, sind es nur noch knapp 600. Spannende Zahlen, die der Konzern bei einem Termin mit Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler und Wirtschaftsminister Martin Kocher sowie österreichischen Tourismusunternehmen nennt. Die Delegation war auf Kurztrip in Amsterdam und Den Haag. Denn die Niederlande gelten als Hoffnungsmarkt für mehr Berge-liebende Gäste. Peter Lochbihler, Global Head of Public Affairs bei Booking.com, versichert in dem Treffen jedenfalls, dass man beim Thema Nachhaltigkeit weiter Anreize setzen wolle. Es sei im Interesse der Kunden, nachhaltige Reisen einfacher zu finden.

450 Mitarbeiter arbeiten an verschiedensten KI-Lösungen

Allein in Amsterdam entwickeln und implementieren knapp 450 Mitarbeiter verschiedenste KI-Lösungen. Lochbihler: „Wir arbeiten an multidimensionalen Search-Funktionen, über die mit einem Klick mehrere Kriterien, etwa für Familien, ein Hotel mit Pool, die nachhaltige Zertifizierung und der Sunset-Blick, abgebildet werden können.“ KI soll auch Mailverkehr oder Telefonate analysieren und dadurch interne Abläufe vereinfachen.

Das 2023 bezogene Headquarter macht jedenfalls Eindruck: Der von Ben van Berkel entworfene Bau ist ein Architekturjuwel, in dem Offenheit, Licht und tausende Pflanzen eine außergewöhnliche Atmosphäre schaffen. 832 Solarpanele sorgen für grüne Energie zum Heizen und Kühlen. Wer die besten Köpfe der Welt sucht, kann mit diesem Platz punkten. Wer einen Experten braucht, kann ihn anstellen. Regeln a la Rot-Weiß-Rot-Card gibt es nicht. Eines von vielen Details vor dem Lift: Auf praktisch allen Ebenen sind „Gaming areas“, also Spielzonen, oder „Nursing rooms“, in denen sich Eltern um ihre Babys kümmern können, zu finden.

Die Hoteliers verbindet mit Booking „eine Art Hassliebe“, beschreibt Hotelierin Michaela Reitterer das zwiespältige Verhältnis der Branche zum Marktdominator. In Reitterers „Flemings“ am Wiener Westbahnhof buchen Gäste selbstverständlich billiger, wenn sie direkt ohne die Booking-Plattform in dem Boutique-Hotel einchecken wollen. „20 Prozent des Umsatzes an die zu zahlen, das ist richtig viel“, sagt sie. „Auch wenn die das große Schaufenster in die Welt bieten und für guten Umsatz sorgen.“ 15 Prozent Provision sind es in der Basisversion ohne Extras. Günstigere Preise bei Direktbuchungen zu bieten, genau das wollte die Booking Michaela Reitterer vor vielen Jahren „verbieten“. Die stellte erfolgreich die Stacheln auf – auch als damalige Präsidentin der Österreichischen Hoteliersvereinigung. Der Digital Marktes Act der EU, der bis November umgesetzt wird, soll nun europaweit die Hoteliers gegen zu enge Fesseln der Onlineplattformen stärken, dabei geht es um Preisklauseln, aber auch den Zugang zu Kundendaten.

28 Millionen Angebote in 175.000 Destinationen

Längst verdichtet Booking seine Netze auf vielen anderen Feldern, bietet rund um den Hotelaufenthalt immer mehr Services an, Leihautos, Taxis, Freizeitaktivitäten. Die Gäste blieben dadurch länger und stornierten seltener, heißt es. „Unser Ziel ist, den Connected Trip anzubieten und das richtig serviciert“, so Lochbihler. Die Flüge-Suchmaschine Checkfelix gehört etwa zum Konzern. Insgesamt sind unter dem Dach der Holding 28 Millionen Angebote in 175.000 Destinationen in 44 Sprachen verfügbar. Die Anbieter machen damit rund 150 Milliarden Dollar Umsatz, davon landeten zuletzt 21,4 Milliarden bei Booking, plus 25 Prozent. Die Wachstumsmaschine Booking hat auch die privaten Anbieter längst nicht mehr nur im Visier: „Mit 36 Prozent wurde etwas mehr als ein Drittel der weltweiten Übernachtungen im ersten Quartal bereits in alternativen Unterkünften gebucht - also in anderen Unterkünften als Hotels“, so Matthias Schmid, Chef für Accommodations bei Booking, also die Unterkünfte. Die Plattform Airbnb, die Privatvermietungen populär gemacht hat, hat 7,7 Millionen Unterkünfte im Angebot und setzte 2023 knapp zehn Milliarden Dollar um.

Marktkapitalisierung beträgt rund 120 Milliarden Dollar

Für die heutige Booking Holding war Booking.com Amsterdam übrigens ein Schnäppchen. Weil die 1996 gegründete Plattform für ihre globalen Wachstumspläne keinen potenten Investor in Europa finden konnte, ging sie für einen Kaufpreis von rund 150 Millionen Euro in die USA. Die Booking-Aktie gehört inzwischen zu den teuersten der Welt. Die heutige Marktkapitalisierung beträgt rund 120 Milliarden Dollar. Booking.com mit Sitz in Amsterdam bildet das Herzstück des Konzerns.

In Amsterdam selbst will man von noch mehr Tourismus gar nichts mehr hören. Allein aus London kommen täglich bis zu 40 volle Flieger nach Amsterdam. Die Kampagnen gegen Sauf- und Kiffer-Touristen schlugen völlig fehl, räumt man hier ein. Verkehrstechnisch setzt die Metropole allerdings Maßstäbe. Rund um den Bahnhof gibt es vier unterirdische Radgaragen mit zehntausenden Plätzen, die über große Rampen erreichbar sind. Für die niederländische Staatsbahn sind die Garagen längst erfolgreicher Teil des integrierten Geschäftsmodells, Mobilität von Tür zu Tür anzubieten. Auch bei Booking gibt es eine eigene riesige Radgarage für 7500 Räder. Noch etwas ungewöhnliches gibt es in der Booking-Zentrale: Ein riesiges, öffentlich zugängliches Restaurant, das insbesondere Flüchtlingen mit einem Arbeitsplatz die Chance auf Integration bietet.