Als Alexis Nasard vor knapp eineinhalb Jahren das erste Mal erzählte, wie er Swarovski neu als Luxusmarke positionieren will, war er noch zurückhaltend mit Zahlen. Ganz in der Familientradition. Jetzt hat der Kristallkonzern den Turnaround, die Rückkehr in die schwarzen Zahlen geschafft. Zumindest, wenn man die Sanierungskosten außen vor lässt. „Das Wichtigste ist uns damit gelungen,“ so Nasard. „Und das, obwohl das Umfeld alles andere als gut ist.“

Zu seiner Strategie gehört offenbar glasklare Kommunikation, wie es sie in dem bis 2022 von Familienmitgliedern geführten Konzern noch nie gegeben hat. Wurde früher sogar der Umsatz nur hinter vorgehaltener Hand und rein theoretisch ungefähr genannt, legt Nasard jetzt einfach die Summe auf den Tisch: 1,832 Milliarden Euro waren es 2023. Ein bereinigtes Plus von vier Prozent erzielt in Zeiten, in denen einige Länder wie im Verkaufs-Netzwerk fehlen und die Touristenströme immer noch anders laufen als vor der Pandemie. „Solides organisches Wachstum“, sagt Nasard dazu und ergänzt: „Die Profitabilität der Geschäfte ist um 36 Prozent gestiegen, das freut mich besonders.“

Der Flagship-Store von Swarovski an der Fifth Avenue in New York
Der Flagship-Store von Swarovski an der Fifth Avenue in New York © APA/Jochen Hofer

„Ich starte immer mit der Marke“, erzählt der Manager, „das war das Leichte, weil Swarovski eine sehr starke und reiche Marke ist.“ Auf die Frage, was umgekehrt das Schwierigste der Sanierung war, sagt er: „So, wie das Unternehmen beisammen war, ging nichts nacheinander. Alles musste gleichzeitig passieren.“ Kosten wegschneiden, Wachstum schaffen, eine schlüssige Markenpositionierung und die entsprechende Kommunikation dazu umsetzen und bei den Kunden Neugierde kreieren, „auf Produkte, die niemand zum Überleben braucht“, wie Nasard selbst ganz offen erklärt.

„Zugpferd“ Kim Kardashian

Einen Fokus legt er auf die Mega-Cities der Welt, in New York und Seoul wurden 2023 neue Flagship-Stores eröffnet, in Kürze folgt ein weiterer neuer in Mailand. In Shanghai wurden Kunden mit einer Ausstellung „Masters of Light - From Vienna to Shanghai“ im Museum für zeitgenössische Kunst „abgeholt“ - denn noch fehlen die Chinesen als globale Touristen weitgehend, sie sind zusammen mit den Amerikanern aber die wichtigsten Swarovski-Kunden. Nasard: „Die Stores in den Top-Cities haben 14 Prozent mehr Umsatz gemacht. Da werden die Trends gemacht.“ In New York war Kim Kardashian das Zugpferd ihrer SKIMS Modekollektion mit Swarovski-Kristallen - Aufmerksamkeit schaffen, Begehrlichkeiten wecken - es ist das Handwerk der Luxusartikelindustrie.

Neue Zucht-Diamanten aus dem Labor

„Desirability“, also Begehrlichkeit zu wecken, das passiere jetzt über hohes Innovationstempo, erklärt der Swarovski-Sanierer. Die Flagship-Stores spielten „als Tempel für die Marke“ die entscheidende Rolle, um diese „Kristallschmuck-Mode“ bis hin zu Accessoires wie Handy-Cover oder Brillen aus dem Haus EssilorLuxottica auch ins immer neu gestylte Licht zur rücken. Nasard hat der Strategie sogar einen eigenen Namen gegeben, „Luxignite“, „ignite“ heißt anzünden. „Wir glauben nicht, dass Luxus ein Thema von groß oder klein ist“, geht Nasard auf negative emotionale Vorbehalte ein. „Das hat auch nichts mit Snobismus und hohen Preisen zu tun, sondern mit Freude, ja Freude an Extravaganz.“ Für Swarovski definierte er glasklar drei Preissegmente, in denen Glas-Luxus käuflich ist: Ein niedriger, mittlerer und hoher Korridor, angesiedelt zwischen hundert und zehntausenden Euro. Neue, im Labor gezüchtete Diamanten erweitern gerade das Programm, Nasard dazu: „Das repräsentiert die Zukunft.“

Zwei Jahre werde die Sanierung noch dauern. Die Höhe der Restrukturierungskosten, wie der Konzern auf der Schuldenseite aufgestellt ist, das verrät Nasard nicht. Dass das Ergebnis vor Steuern 2023 erstmals wieder trotz Währungsverlusten in Höhe von 35 Millionen Euro positiv war, reicht Nasard jedenfalls noch nicht. Es sei extreme Kostendisziplin gefragt und enge operative Kontrolle. In manchen Bereichen sei das Unternehmen noch fragil. Einschnitte in der Belegschaft in Wattens sind aus jetziger Sicht nicht geplant.

2022 hatte Swarovski die Öffentlichkeit geschockt, als im Tiroler Stammwerk Wattens 1000 der einst 4000 Mitarbeiter gehen mussten. In dieser existenziellen Krise des Konzerns wurde mit Nasard, einem gebürtigen Libanesen, erstmals ein Familien-Fremder an die Spitze geholt. Das weltweite Shop-Netzwerk wurde um ein Viertel zusammengestutzt. Von heute 6600 Verkaufsstellen betreibt Swarovski 2300 selbst. Aktuell arbeiten im Tiroler Stammsitz mit Leiharbeitern 3100 Menschen, insgesamt beschäftigt der 1895 gegründete Konzern 16.600 Mitarbeiter.