Ich gratuliere allen Lehrlingen, die die Lehre in ihrem Wunschberuf machen, in Betrieben, die verstanden haben, dass ihre Zukunft davon abhängig ist, ob sie in die Ausbildung investieren oder nicht“, meinte AK-Präsidentin Renate Anderl bei der Präsentation des fünften österreichischen Lehrlingsmonitors, mit dem Arbeiterkammer und Gewerkschaftsbund alle zwei Jahre erheben, wie es österreichischen Lehrlingen geht. Die Zahlen, Daten, Fakten belegen diesmal bzw. „nach wie vor“, wie Anderl sagt, dass es einen „viel zu großen Bereich gibt, wo Lehrlinge nicht die Ausbildung bekommen, die ihnen zusteht.“

Drei Viertel im Wunschberuf

Das Österreichische Institut für Berufsbildungsforschung (ÖIBF) hat für den Lehrlingsmonitor die Angaben von rund 4700 Lehrlingen ausgewertet, die 2023 im letzten Lehrjahr waren. Demnach sind, wie Norbert Lachmayr vom ÖIBF erklärt, insgesamt zwar drei Viertel in ihrem Wunschberuf gelandet und die Mehrheit ist auch aktuell noch zufrieden mit der Berufswahl, aber 10 Prozent bezeichnen sich als unzufrieden. Jeder vierte Lehrling macht regelmäßig Überstunden, 14 Prozent davon zumindest teilweise unfreiwillig.

Schreien, Schimpfen, Lächerlichmachen

Heuer erstmals erhoben wurde, wieweit Lehrlinge im Betrieb beleidigt, belästigt oder gar bedroht werden. Insgesamt winken hier 67 Prozent der Befragten ab, 33 Prozent haben die Erfahrung aber zumindest einmal oder gar mehrmals gemacht – wobei Frauen stärker betroffen sind als Männer. Besonders betroffene Branchen: Gesundheit, Medizin, Pflege, Tourismus, Gastgewerbe, Hotellerie und Lebensmittel. Es geht dabei zum Großteil um „ungerechtfertigte Kritik“, „Schreien und Schimpfen“, „Zuteilung unbeliebter Aufgaben“ oder „Lächerlichmachen“. Einen 12-Prozent-Anteil hat „sexuelle Belästigung“.

Ausbildung nicht dokumentiert

Wenig verändert hat sich in den vergangenen Jahren auch bei Qualitätsmängeln in der Ausbildung: Von allen Befragten sagen nach wie vor drei Viertel, für sie habe es keine regelmäßige Dokumentation der Ausbildung gegeben. Für zwei von fünf gibt es keine regelmäßige Besprechung des Ausbildungsfortschritts – und ebenfalls ein Drittel muss ausbildungsfremde Tätigkeiten leisten. Wichtig zu wissen: Die Zufriedenheit von Lehrlingen hängt laut Lachmayr stark davon ab, wie groß der Facharbeitsanteil in der Ausbildung ist bzw. wie wenig Hilfsarbeiten wie etwa Putzen, Rasenmähen etc. verrichtet werden müssen. „Die Facharbeitsanteile steigen mit der Dauer der Lehre.“

„Man kann wohl annehmen, dass Lehrlinge in einigen Betrieben als billige Hilfskräfte verwendet werden“, sagte dazu ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian. Als Gegenmaßnahme fordert er, wie Anderl, die Lehrstellenförderung an die Qualität der Ausbildung zu binden.

Keine Empfehlung für Hotel- und Gastgewerbe

Der Lehrlingsmonitor belegt: Durch schlechte Ausbildungsbedingungen vertreiben Betriebe ihre Fachkräfte selbst. Dort, wo die Ausbildungsbedingungen am schlechtesten sind (etwa Hotel- und Gastgewerbe, Malerei, Konditorei), wollen zwei Drittel nicht im erlernten Beruf bleiben. Dort, wo die Ausbildungsbedingungen am besten sind, will nur einer von zehn nach der Lehre etwas Neues anfangen: etwa in Industrie, Hochbau, Land- und Baumaschinentechnik, bei Konstrukteuren, Bank- oder Betriebslogistikkauffrauen.