Die stark gestiegenen Lebensmittelpreise haben laut einer aktuellen Untersuchung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) nicht zu einem merkbaren Gewinnmargen-Plus bei Supermarktketten geführt. Die Handelsspannen seien vom 2. Halbjahr 2022 bis 2. Halbjahr 2023 „nicht systematisch“ angestiegen. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass es unter dem Deckmantel der hohen Inflation zu höheren Margen gekommen ist“, sagte BWB-Chefin Natalie Harsdorf-Borsch.

Verstöße gegen Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz

Auch in der Landwirtschaft und bei Lebensmittelherstellern orten die Wettbewerbshüter im langjährigen Vergleich keinen auffälligen Anstieg der Gewinnmargen. „Die Analyse zeigt aber mehrere Schwachstellen im Hinblick auf die Wettbewerbssituation“, so Harsdorf-Borsch bei der Präsentation der 269-seitigen Branchenuntersuchung in Wien. Die Konzentration in Österreichs Lebensmittelhandel ist sehr hoch, vier Anbieter - Spar, Rewe, Hofer, Lidl - teilen sich mehr als 90 Prozent des Marktes. „Trotzdem gibt es einen intensiven Wettbewerb“, sagte Johannes Lukas, Ökonom der Bundeswettbewerbsbehörde.

Das bedingt, dass die Gewinnmargen der Supermärkte und Discounter gering sind, im Vorjahr sogar nur bei ein Prozent quer über die Branche. Gleichzeitig scheuen die Lebensmittelhändler „keine Kosten und Mühen“, wie Hardsdorf-Borsch sagt, um die Mitbewerber und deren Preisgestaltung zu beobachten. Dafür werden auch externe Dienstleister beauftragt, um sofort auf Preisherabsetzungen reagieren zu können. Das Ergebnis davon ist eine „versteinerte“ Struktur, die Marktanteile ändern sich kaum. Seit 2019 sind aber mehr als 200 Nahversorger aus dem Markt ausgetreten und die großen Supermarktketten haben ihr Filialnetz weiter ausgebaut.

Einen zentralen Punkt der Untersuchung fand die BWB bei Gesprächen mit Lieferanten. Die Anzahl der eingemeldeten, unfairen Praktiken gegenüber Lieferanten sei „sehr beunruhigend“. Laut der BWB-Leiterin hat die Behörde bereits Ermittlungen gegen Supermarktketten wegen Verstößen gegen das Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz aufgenommen. Es werde heuer bereits erste Anträge beim Kartellgericht geben. Gegen welche Händler konkret ermittelt wird, wollte Harsdorf-Borsch nicht kommentieren. „Das kann ich zu dem Zeitpunkt nicht beantworten.“

Preise seit Oktober 2022 stark gestiegen

Speziell weist die Bundeswettbewerbsbehörde in ihrem Bericht auf einen sogenannten „Österreich-Preisaufschlag“ hin. Es gebe in der Lebensmittelindustrie - besonders bei internationalen Konzernen - den Anreiz für gleiche Produkte entsprechend ihren Länderstrategien teilweise unterschiedliche Preise zu verrechnen. „Diese Strategien können ein wesentlicher Faktor für unterschiedliche Lebensmittelpreise und damit höhere Preise in Österreich sein“, heißt es in der Branchenuntersuchung. Die BWB-Chefin will diese Thematik nun rasch bei der Europäischen Kommission deponieren, weil die Behörde nur für Österreich zuständig ist.

Bei der Pressekonferenz stellte die BWB-Leiterin zahlreiche Empfehlungen vor, um den Wettbewerb im Lebensmittelmarkt anzukurbeln: Die Vorschläge reichen von Maßnahmen zur Erhöhung der Preistransparenz, Stärkung des EU-Binnenmarkts, Verbesserung der Transparenz bei Lebensmitteln, Stärkung des Verbraucherschutzes und keine Irreführung bei Preisnachlässen bis zur Rechtssicherheit für Lieferanten durch Schriftform.

Für ihre eigene Behörde wünscht sich Harsdorf-Borsch eine verbesserte gesetzliche Grundlage zur Durchsetzung wettbewerbsrechtlicher Maßnahmen aufgrund von Branchenuntersuchungen.
Die Bundeswettbewerbsbehörde hat im Oktober 2022 aufgrund der stark gestiegenen Lebensmittelpreise eine umfassende Branchenuntersuchung in der Lebensmittelbranche gestartet. Dafür wurden innerhalb eines Jahres in zehn Runden rund 700 Handelsunternehmen sowie über 1.500 Lieferanten befragt und Daten des Marktforschers GfK analysiert. Weiters hat die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) tägliche Preisdaten, die aus einer Auswahl von Online-Shops des österreichischen Lebensmittelhandels aufgenommen wurden, für die Wettbewerbshüter analysiert. Zusätzlich wurde eine Konsumentenbefragung mit rund 1.000 Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren durchgeführt. Die BWB-Analyse konzentrierte sich dabei auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs.