Streit zu Weihnachten? Viele Familien können ein Lied davon singen. In der Regel sind es immer die gleichen Themen, die Jahr für Jahr aus der „Stillen Nacht“ eine laute machen. Fragen zum höchstpersönlichen Lebensbereich („Wann bekommt ihr endlich ein Kind?“), diskriminierende Aussagen oder verschiedene Ansichten zu den Corona-Sicherheitsmaßnahmen – das Konfliktpotenzial bei der Familienfeier ist groß. Am Ende hat man die Bescherung. Wie kann man damit umgehen? Familienberaterin Julia Radlberger und andere Sachkundige geben Tipps.
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„Wann kommt der Nachwuchs?“
Oft sind sie gar nicht böse gemeint – die Rede ist von besonders persönlichen Fragen. Das macht sie aber nicht besser. Ein Beispiel gefällig? „Wann kommt denn endlich das erste Enkerl?“ Eine unsensible Frage, insbesondere für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. „Wenn gewisse Fragen unangenehm sind, sollte man vorab klarstellen, dass man darauf nicht angesprochen werden will“, sagt Radlberger. Das gilt auch für alle, die nicht über ihren Beziehungsstatus sprechen wollen. Für hartnäckige Verwandte kann man Antworten zurechtlegen: „Wenn du dich als Babysitter meldest, gerne!“
„Das ist ja eh nur eine Phase“
Noch intimer sind Fragen nach der sexuellen Orientierung oder gar das Infragestellen dieser. Michael Hofbauer ist homosexuell und fühlt sich bei Kommentaren wie „Das ist sicher nur eine Phase“ nicht nur zutiefst unwohl, sondern auch fehl am Platz. Er sagt: „Solche Kommentare gehören besprochen und vom Tisch gekehrt – auch wenn es das Potenzial hat, auszuarten.“ Unabhängig von der sexuellen Orientierung schuldet man niemandem Rechenschaft. Bei zu intimen Fragen kann man laut der Expertin vorab klarstellen: „Mein Liebesleben werde ich zu Weihnachten sicher nicht besprechen.“
„Heutzutage darf man ja gar nichts mehr sagen“
Bei Feiern treffen Generationen aufeinander und damit auch verschiedene Denkmuster. „Rassistische Äußerungen bei Familientreffen passieren immer wieder auch in meiner Familie“, sagt Aktivistin Chantal Bamgbala. In so einer Situation ist es wichtig, aufzuklären. Personen können nicht alle in einen Topf geworfen werden und gerade in diesem Zusammenhang sollte man auf Sprachmuster hinzuweisen: „Manche Begriffe solltest du nicht mehr verwenden, wenn du mit oder über Menschen mit Rassismuserfahrung sprichst. Dazu gehören etwa die Begriffe ,Farbige‘ oder ,Dunkelhäutige‘. Besser sind Selbstbezeichnungen, die sich die Betroffenen selbst gegeben haben.“ Das wären etwa der Begriff „People of Color“ und der Begriff „Schwarze“ mit großgeschriebenem „S“.
Auch Radlberger rät dazu, gleich vorweg klarzustellen, dass rassistische Aussagen keinen Platz haben: „Man sollte nicht in einen Konflikt einsteigen, sondern das klar benennen.“
Das ist oft leichter gesagt als getan, wie auch Chantal Bamgbala einräumt. Aber: Nichts zu sagen, ist keine gute Alternative: „Es ist schwierig und unangenehm, die eigene Familie zurechtzuweisen, aber wichtig, weil man durch Schweigen diesen Äußerungen zustimmt. Die zurechtgewiesenen Familienmitglieder fühlen sich oftmals angegriffen, was wiederum zu Streitigkeiten führen kann. Es braucht jedoch Zeit und Geduld, bis man seine eigenen Fehler anerkennt und realisiert, dass durch diskriminierende Äußerungen viele Personen alltäglich darunter leiden.“ Denn oft beschränken sich die Aussagen nicht auf den Familientisch, sondern werden auch nach außen getragen.
„Lass mich mit der Impfung in Ruhe!“
Kein Thema spaltet die Gesellschaft aktuell so sehr wie die Corona-Pandemie. Sogar innerhalb der Familie sind die Gräben oft tief. Was also, wenn die Cousine von der Impfung schwärmt, während die Tante vermeintliche Statistiken aus dem Telegram-Gruppenchat zitiert?
Vorab sollte man sich überlegen, welche Themen bei einer Feier außen vor bleiben sollen. Wenn Corona dennoch zum Thema wird und die Stimmung kocht, sollte man sich eine Auszeit nehmen und kurz an die frische Luft gehen.
Radlberger empfiehlt, anderen offen gegenüberzutreten: „Alle haben das Recht auf ihre Ängste und Meinungen.“ Verhärtete Fronten kann man aufweichen, indem man Ängste benennt und sich auf die Gemeinsamkeiten konzentriert: „Beide wollen die Freiheit zurück, beide wollen gesund sein. Wenn man das Verbindende sieht, wird es oft leichter.“