Nur wenige Menschen vermuten, was im zweiten Stock der Rathauspassage in Köflach passiert: Dort betreiben Reinhard Puffing und Manuel Gerstenbrand mit einem zehnköpfigen Team anwendungsnahe Forschung für die Luftfahrtindustrie. 2016 gründeten die beiden Studenten die Forschungseinrichtung "Austrian Institute for Icing Sciences" ‒ kurz Aiis ‒ die sich unter anderem mit der Erforschung von effektiven Maßnahmen zur Verhinderung der Vereisung von Luftfahrzeugen, insbesondere deren Tragflächen oder Rotorblättern, befasst. Seither wurden bereits nationale und internationale Projekte durchgeführt und geleitet, in denen man mit großen Unternehmen der Luftfahrtindustrie zusammenarbeiten konnte. Aktuell liegt der Fokus auf unbemannten Fluggeräten.

Paketzusteller und Einsatzorganisationen

"Vor zwei Jahren haben wir die "Pegasus Research & Development GmbH" gegründet. Mit dieser Gesellschaft wollen wir unsere Erkenntnisse verwerten", erzählt Puffing. Und diese sind durchaus bahnbrechend. Derzeit gibt es für Drohnenflüge ohne Sichtkontakt unter einer Temperatur von plus fünf Grad Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit von der zuständigen Behörde keine Genehmigung. Für den Einsatz für Paketdienste, aber auch für Einsatzorganisationen ist das natürlich ein Hemmschuh", betont Gerstenbrand. Grund dafür ist die hohe Absturzgefahr durch Vereisung, Drohnen können dabei schlimmstenfalls binnen Sekunden manövrierunfähig werden und quasi vom Himmel fallen. "Die Schwierigkeit ist, dass Drohnen klein sind und im Vergleich zu Passagierflugzeugen wenig Energie mitführen", erläutern die Köflacher.

Manuel Gerstenbrand (ganz rechts) und Reinhard Puffing (Dritter von rechts) mit dem Team von Aiis und Pegasus
Manuel Gerstenbrand (ganz rechts) und Reinhard Puffing (Dritter von rechts) mit dem Team von Aiis und Pegasus © (c) Petru Rimovetz

Gerade erhielten die Weststeirer im Rahmen der nationalen Ausschreibung "Take Off" der Forschungsfördergesellschaft FFG und des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) den Zuschlag. 46 Projekte wurden eingereicht, 20 davon werden mit insgesamt 11,8 Millionen Euro gefördert, das von der Aiis geleitete Projekt mit insgesamt sieben Unternehmen wird mit 1,5 Millionen Euro unterstützt. Mit dabei sind unter anderem das Institut für Luftfahrt an der FH Joanneum, die Austro Control, der Vereisungsspezialist Aerotex aus Wien und die "Xentis Entwicklungs- und Produktions GmbH" in Voitsberg.

Chemisches Enteisungssystem

Ziel des Projektes "Ice Drone" ist es, ein chemisches Enteisungssystem für unbemannte Drohnen von einer Größe bis 1,5 Metern sowie 25 Kilogramm maximales Abfluggewicht weiterzuentwickeln. "Das System ist leicht und effizient, zerstäubt mittels Düsen in der Nähe der Rotorblätter Enteisungsmittel im Abstand von jeweils einer Minute und verhindert so die Vereisung und den Absturz der Drohne", so Puffing. Bei Tests im Windkanal wurden bereits Flugzeiten von mehr als 30 Minuten bei Temperaturen von bis zu minus 30 Grad erzielt. "Für uns ist das Projekt eine riesige Chance, weil so die Weiterentwicklung für die nächsten drei bis vier Jahre gesichert ist", freut man sich bei Aiis.

Das Team von Aiis und Pegasus untersucht, wie Tragflächen und Rotorblätter vereisen und wie dies verhindert bzw. vermindert werden kann
Das Team von Aiis und Pegasus untersucht, wie Tragflächen und Rotorblätter vereisen und wie dies verhindert bzw. vermindert werden kann © Aiis

Zum Einsatz kommen soll das Enteisungssystem unter anderem bei Paketzustellern sowie Drohnen von Einsatzorganisationen. "Egal ob Feuerwehr, Rotes Kreuz, Bergrettung oder ÖAMTC, die brauchen alle eine Freigabe für Flüge bei niedrigen Temperaturen. Deswegen gibt es auch viele Unterstützungserklärungen von Institutionen aus diesem Bereich."

Klimakammer in Köflach

Große Pläne haben Puffing und Gerstenbrand für nächstes Jahr: In Köflach soll eine fünf mal fünf Meter große Klimakammer errichtet werden, in der Vereisung getestet werden kann. "Das wäre eine kostengünstige Alternative zum Windkanal", betont Puffing. Ein Tag im Windkanal schlägt sich mit knapp 40.000 Euro zu Buche, in einer Testwoche könne man aber nur einen kleinen Entwicklungsschritt machen.

"Möglich ist das alles aber nur, weil wir so ein tolles Team haben. Deswegen haben wir quasi auch null Fluktuation. Uns ist es wichtig, in der Region zu bleiben, das gefällt auch den Mitarbeitern", so Puffing und Gerstenbrand, die betonen, dass man auch von der Stadtgemeinde Köflach sehr unterstützt werde.