Bereits seit Wochen wird es gemunkelt: In der Weststeiermark geht ein Wolf um. Zwar gab es nach dem Riss eines Kamerunschafs in Graden (Gemeinde Köflach) letzte Woche Entwarnung. Dort hatte offenbar ein großer Fuchs Beute gemacht. Doch in der ländlichen Gemeinde Geistthal-Södingberg gibt es schon mehrere Spuren, die auf die Anwesenheit eines Wolfes hindeuten. So wurde ein Reh gerissen. Charakteristisch für einen Wolf hatte sich das Beutetier nur an den besten Fleischstücken – wie Wange, Schulter und Schinken – bedient und den Rest des Kadavers zurückgelassen.

Risse, Spuren und Geheul

Zudem wurde in unmittelbarer Nähe auch ein blinder Hund bei einem Bauernhof gebissen. Das Tier überlebte die Attacke, die großflächigen und tiefen Bissspuren im Kehlbereich sollen aber ebenfalls auf einen Wolf hindeuten. Eine erste DNA-Auswertung hatte laut Rissbegutachter Norbert Seidl ergeben, dass es sich um einen Hund oder Wolf gehandelt habe. Für ein genaueres Ergebnis muss die DNA nun in einem Labor noch einmal sequenziert werden.

Bürgermeisterin Klaudia Stroißnig betont, dass es „ein sehr emotionales Thema ist“. In Absprache mit Jägerschaft und Bezirkshauptmannschaft seien Spuren genommen und ausgewertet worden. „Aus dem Dickicht ist ein verdächtiges Tier schon beobachtet worden. Auch Pfotenabdrücke konnten sichergestellt werden. Es könnte aber auch ein Hund sein und Schakale kommen bei uns hier auch vor. Solange es keinen eindeutigen Hinweis gibt, möchten wir den Ball flach halten und keine Beunruhigung auslösen“, so die Bürgermeisterin. Es habe sogar schon Meldungen gegeben, dass Wolfsgeheul vernommen worden sei.

Klaudia Stroißnig (ÖVP), Bürgermeisterin von Geistthal-Södingberg
Klaudia Stroißnig (ÖVP), Bürgermeisterin von Geistthal-Södingberg © Robert Preis

Nun dürfte aber der nächste Puzzlestein, der die Anwesenheit eines Wolfes zweifelsfrei belegen soll, gefunden sein: Am Freitag, dem 1. März, filmte ein Berufskraftfahrer direkt am Ortseingang beim Gasthaus Trautentalwirt am helllichten Tag ein Tier. Das kam gegen 15 Uhr beim Kleinhasperger Weg aus dem Wald, überquerte die L 315 und schlich sich auf der anderen Straßenseite zu einem Haus. Auf einem Videoschnipsel ist zu sehen, wie es dort einige Augenblicke stehen bleib, ehe das Raubtier die Hauseinfahrt vor einer Steinschlichtung entlanglief und rund 100 Meter weiter im Wald über eine steile Böschung nach oben kletterte.

Genau an dieser Stelle verschwand der Wolf im Wald
Genau an dieser Stelle verschwand der Wolf im Wald © KLZ / Collage: Rainer Brinskelle

Bei einem Lokalaugenschein der Kleinen Zeitung war das Haus rasch gefunden. „Ja, das ist es. Das Haus ist seit zwei Jahren unbewohnt“, bestätigen die angrenzenden Nachbarn, die sich überrascht davon zeigen, dass hier vor wenigen Tagen ein Wolf spaziert sein soll. „Ich bin seit 50 Jahren Jäger, aber ich habe noch nie einen Wolf gesehen“, so der Hausbesitzer. Als er sich das Video vom vergangenen Freitag ansieht, bestätigt er aber: „Ja, das ist eindeutig ein Wolf!“ Das würde auch erklären, warum man heuer an den Waldrändern rund ums Haus kaum Wild gesehen habe. „Normalerweise schauen hier die Rehe ständig heraus.“

Problemwolf?

Ein Umstand, der auch Bürgermeisterin Stroißnig gemeldet wurde. Nach dem Riss des Rehs und den ersten Verdachtsmomenten, dass ein Wolf in den Wäldern des Ortes herumstreifen könnte, sei Jägern sofort aufgefallen, dass sich das Wild im Revier zurückgezogen hat. Sogar das Vogelgezwitscher sei für mehrere Tage beinahe verstummt. „Dass das Tier so nahe an Häuser herankommt, gibt natürlich zu denken und könnte auf einen Problemwolf hindeuten“, meint Stroißnig.

Ein Augenzeuge sah, wie der Wolf die Straße hier überquerte
Ein Augenzeuge sah, wie der Wolf die Straße hier überquerte © KLZ / Rainer Brinskelle