Schon zum zweiten Mal musste Viktorija Lazareva ihr Zuhause verlassen. Die ukrainische TV-Journalistin studierte in Luhansk "Journalismus", auf der Universität lernte sie vor 14 Jahren ihren Mann kennen. "Nach dem Studium bin ich zurück in meine Heimatstadt Severodonetsk in der Ostukraine gezogen und hab dort als Korrespondentin und TV-Moderatorin für einen Fernsehsender gearbeitet", erzählt die 33-Jährige, die aktuell in Birkfeld lebt. Sie erstellte Nachrichtenbeiträge über die Region. "Ich habe meine Stadt geliebt." 2014 brach dann der Krieg in Luhansk und Donezk aus.
Flucht nach Kiew
"Der Krieg hat mein Leben verändert. Mein Mann und ich sind nach Kiew gezogen." Dort hat Lazareva einen Job als TV-Journalistin bei STB TV gefunden, einem der größten ukrainischen Privatsender. Sie hat für eine medizinische Reality-Show Interviews geführt und Menschen während deren Behandlungen und Operationen begleitet.
2019 folgte eine Babypause. Ihren dritten Geburtstag feierte Tochter Valerie in Birkfeld – im Mai dieses Jahres kam Lazareva mit ihrer Mutter und ihrer Tochter nach Österreich. "Der Krieg hat mich schon ein zweites Mal aus meinem Haus vertrieben." Eine sehr stressige, von Ängsten geprägte Zeit brach an.
Vier Tage ohne Licht und Heizung
Ihr Mann ist noch in Kiew. "Ich habe es geschafft, ihn ans Telefon zu bekommen. Er hat erzählt, dass er vier Tage lang ohne Licht und Heizung war", sagt Lazareva. Die Situation wird zunehmend kritischer, russische Raketen haben die Infrastruktur zerstört. "Und dann ist da der Winter ... Es wird ein sehr harter Winter."
Zu 80 Prozent zerstört
"In Kiew ist es aber noch nicht so schlimm wie in meiner Heimatstadt", erzählt Lazareva weiter. "Severodonetsk ist zu 80 Prozent zerstört. Es gibt keine Elektrizität, kein Wasser, kein Gas und keine Heizung. Von den 120.000 Menschen, die dort gelebt haben, sind nur noch 5000 geblieben."
"Durch die österreichische Regierung und die Caritas haben wir Sicherheit gefunden, wir schätzen die Hilfe sehr." Seit einem Monat besucht die Journalistin Deutschkurse in Birkfeld. Koordiniert wird dieser von Wolfgang Pojer vom Verein zur Förderung der Diversität im Kontext der Europäischen Dimension. Seit Mai laufen die Kurse, dreimal wöchentlich für je eineinhalb Stunden. "Meistens unterrichten Lehrerinnen im Ruhestand, sie machen das ehrenamtlich", sagt Pojer. Der Unterricht findet im Pfarrheim Birkfeld statt, zwischendurch aber auch online. Die Teilnehmeranzahl fluktuiert stark, weil viele wieder wegziehen. "Eine Kardiologin ist zum Beispiel nach Fehring gegangen", so Pojer.
Die Deutschkurse sind für die Teilnehmenden kostenlos. "Ich bin dem Österreichischen Integrationsfonds und den Lehrerinnen unendlich dankbar", sagt Lazareva. "Am liebsten mag ich deutsche Wörter, die ähnlich klingen wie ukrainische." Als Beispiel nennt sie "Zucker". In ihrer Muttersprache heißt es "Truskor". "Das ist leicht zu merken."
Für die Zukunft wünscht sich Lazareva, zurück in ihre Heimat kehren zu dürfen und dort in Frieden mit ihrer Familie zu leben. Durch die schwierigen Zeiten hat Lazareva gelernt, die kleinen Dinge des Lebens zu schätzen. Wie etwa ihre Familie lachen zu hören oder Verwandte zu sehen. "Schöne Erinnerungen helfen mir auch sehr. Aber es sollte noch mehr davon geben."