Noch ganz nackt und nicht einmal 24 Stunden alt waren die Babystörche, die Dienstagmittag von den Feuerwehren Passail und Weiz aus ihrem Nest am Passailer Hauptplatz gerettet werden mussten. "Ich habe gestern von einem Jagdpachtkollegen einen Anruf erhalten, dass man einen toten Storch im Ortsteil Tober gefunden hatte", erzählt Jagdpächter und Storchenbeauftragter Johann Greimel aus Passail. Bei dem Storch handelt es sich um ein Männchen, das in eine Freileitung geraten und dadurch zu Tode gekommen war.
"Die Storchenmama hat seit gestern das Nest nicht verlassen, sie hat weder gefressen noch getrunken. Normalerweise wechselt sich ein Storchenpaar bei der Brutpflege ab. Fliegt ein Elternteil aus, um Nahrung zu suchen, passt das andere auf und umgekehrt. Fehlt ein Elternteil, ist die Aufzucht der Jungtiere unmöglich", erzählt Greimel. Ohne elterlichen Schutz seien sie leichte Beute für Raubvögel. "Darum mussten wir schnell handeln", so der Storchenbeobachter.
Ziehmama Maxeline nimmt die Küken unter ihre Fittiche
Greimel machte das Nest ausfindig und verständigte die Storchenstation in Tillmitsch sowie die Feuerwehr Passail. Einen Tag später rückte man zur Rettungsaktion aus. Mit dem Kran der Feuerwehr Weiz wurden zwei Babystörche und ein Ei geborgen. "Die Jungtiere sind vermutlich erst in der vergangenen Nacht geschlüpft", stellt Helmut Rosenthaler von der Storchenstation fest. Gemeinsam mit der Feuerwehr nahm er die Aushorstung (Rettungen aus dem Nest) der Jungvögel vor. "Das fällt mir nicht leicht", sagt Rosenthaler. "Natürlich ist es für die Mutter sehr schwer, wenn wir ihre Küken mitnehmen, aber sie alleine schafft es nicht. Sie würden über kurz oder lang sterben", betont der Obmann des Storchenvereins, der sich seit 32 Jahren um verunfallte Störche in Tillmitsch kümmert.
Genau dorthin sollen nun auch die Storchenbabys und das Ei aus Passail kommen. Ziehmama Maxeline - eine 27 Jahre alten Storchendame - wird die Jungen und das Ei unter ihre Fittiche nehmen. "Maxeline ist im Ausbrüten fremder Eier und der Aufzucht von Küken bestens geübt", sagt Karin Schwimmer, stellvertretende Obfrau des Storchenvereins.
Im Juli sollen die Jungvögel dann bereits beringt und später ausgewildert werden. "Durch die Nummer am Ring können sie international wiedererkannt werden", erklärt Rosenthaler. Welch große Reise ihnen heuer noch bevor steht, wissen die winzigen Küken freilich nicht. "In zwei Monaten sind sie so weit, dass sie zu fliegen beginnen. Im Herbst werden sie sich dann dem Zug der Jungvögel nach Afrika anschließen", blickt Rosenthaler zuversichtlich in die Zukunft. 10.000 Kilometer weit werden sie bis nach Botswana in den Süden von Afrika ziehen. Dort bleiben die Jungstörche für drei Jahre, bevor sie den Rückflug in die Heimat antreten und selbst eine Familie gründen.
Unfall durch Freileitungen ist keine Seltenheit
Bis zu drei Aushorstungen werden pro Jahr vom Storchenverein durchgeführt. Dafür braucht es eine spezielle Genehmigung des Landes Steiermark. "Störche sind streng geschützte Tiere. Vor jeder Rettung aus dem Nest muss die Fachabteilung verständigt werden und eine Genehmigung eingeholt werden. Außerdem wird die Rettungsaktion durch einen Bericht dokumentiert", erklärt der Rosenthaler.
Rund 30 Störche werden aktuell in der Storchenstation Tillmitsch (Gemeinde Leibnitz) durch Storchenvater Helmut Rosenthaler und sein Team aufgepäppelt. Die meisten Patienten sind durch diverse Unfälle nicht mehr flugfähig. Die häufigsten Ursachen: Verkehrsunfälle, Unfälle durch Windräder oder Freileitungen. "Die Tiere nehmen die Leitungen gar nicht, oder erst zu spät wahr, fliegen dagegen und stürzen ab", sagt Rosenthaler. Umso wichtiger wäre es, dass Stromgesellschaften von Freileitungen Abstand nehmen und vermehrt auf Erdleitungen setzen, betont auch Greimel.
Ammenstorch Maxeline hat die beiden Babystörche aus Passail übrigens gleich liebevoll angenommen, wie die Storchenstation gestern Abend über die sozialen Medien mitteilte. Auch das Ei könnte in zwei Tagen schlupfreif sein.