Wenn Monika Meißl aus Hofstätten an der Raab morgens zum Postkasten spaziert, um die Zeitung zu holen, wird sie begleitet. Nicht von ihrem Mann Rupert, einem Hund oder einer Katze, sondern von ihrem Ziehkind Elsa. Drei Wochen ist das kleine Lamm mittlerweile alt. Froh und voller Selbstbewusstsein läuft es die Hofeinfahrt entlang - so, als wäre es das normalste, das ein so kleines Lämmchen tun könnte.

"Ihre Mutter ist bei der Geburt verstorben", erzählt die Hobby-Landwirtin. Ein zweites Lamm befand sich im Bauch des Mutterschafes, es kam zu Komplikationen. "Es ist nicht selten, dass Schafe zwei Lämmer bekommen. Auch Komplikationen kommen leider vor. Elsa ist nicht mein erstes Ziehkind", so Meißl.

Im Heizraum einquartiert

Nach dem Gang zum Postkasten steht ein weiteres Tagesritual an: Der Spaziergang um den Hof. 17 Mutterschafe beherbergt Familie Meißl aktuell - Hühner, Laufenten, Hasen und Katzen ebenso. Die Lämmer werden hier großgezogen, dann für Fleisch weiterverkauft, die Wolle wird verarbeitet. "Hier ist immer was los. Komm, Elsa", ruft Meißl. Wie auf Kommando tapst das Schäfchen hinter ihr her. Mal muss ein Grashalm auf der rechten, mal auf der linken Seite des Weges probiert werden. Oder Elsa schmust mit Kater Igor, der auch gerade vorbeischaut. "Am liebsten mag sie aber Wäschekluppen. Da hat sie immer großen Spaß", verrät Meißl schmunzelt.

Fünf Mal am Tag bekommt die kleine Elsa ein Fläschchen
Fünf Mal am Tag bekommt die kleine Elsa ein Fläschchen © Julia Kammerer

Viel gibt es auf den großen Weideflächen der Familie für Elsa zu erkunden. Aktuell schläft das Ziehkind im Heizraum des Wohnhauses. Alle vier bis fünf Stunden wird sie gefüttert: "Fünf Mal Tag bekommt sie ein Fläschchen. Ich nehme sie überall mithin. Wenn ich im Garten arbeite und natürlich auch in den Stall, damit sie nicht vergisst, dass sie ein Schaf ist", scherzt Meißl. Stichwort Fläschchen: Ziehmutter Meißl holt den Vormittags-Snack. Inzwischen ist Elsa allein und das scheint ihr gar nicht zu gefallen. Ihr Kopf ist in der Luft, verzweifelt sucht sie ihre Ziehmutter. Als diese dann um die Ecke kommt und auch noch eine Milchflasche mitbringt, ist die Freude so groß, dass Elsa einen lautes "Mäh" von sich gibt. Innerhalb von wenigen Minuten ist die Milch verputzt. Und dass das Fläschchen schmeckt, ist kaum zu überhören.

Kinderstube mit Frieda, Hermann und Michi

Nachmittags erledigt Monika Meißl die Arbeiten im Stall - sie ist auch Teil von "Wollgenuss", einer Vereinigung von Schafbäuerinnen und Wollverarbeiterinnen aus der Oststeiermark. Auf dem Weg zum Stall kommt man an ihrem Hofladen vorbei. Hier stellt die Familie ihre Schafwollprodukte aus. Der Eingang des Ladens ist mit einem Holzgitter versperrt. Katzen und auch kleine Lämmer haben hier nämlich keinen Zutritt.

Im Stall angekommen, lässt Schafbäuerin Meißl zu aller erst die zwei Mutterschafe mit den jüngsten Lämmern auf die Wiese. Eines davon ist Frieda, sie ist schwarz und hat einen weißen Fleck auf dem Kopf, ihre Mutter weicht ihr kaum von der Seite. "Das Mutterschaf hat nicht so eine Freude mit Elsa. Die mögen sich nicht", sagt Meißl und schickt die zweite Mutter hinaus. Ganz dicht an sie gedrängt folgen ihr ihre Zwillinge Hermann und Michi. "Die zwei sind erst eine Woche alt" - fast richtige Osterlämmer also. Die beiden sind zwar so schneeweiß wie Pflegekind Elsa - während die Wolle der Zwillinge aber noch fast wie ein glattes Fell wirkt, bekommt Elsa schon richtige Locken.

Neben dem Schafstall steht eine kleine Hütte, Monika Meißl geht voraus, Elsa trottet hinterher, Meißl muss noch nach den Osterhasen sehen, auch dabei begleitet sie ihr Ziehkind: "Erst vor ein paar Tagen haben unsere Hasen Junge bekommen. Mal sehen, ob sie schon die Augen geöffnet haben." Und tatsächlich. Als die Vollblutbäuerin aus dem Schuppen kommt, hält sie ein Häschen in den Händen, ganz verschlafen sieht es aus, aber die Augen sind geöffnet.

Zurück auf der Wiese bei den Schafen schwärmt Monika Meißl vor sich hin: "Ich könnte ihnen den ganzen Tag zusehen. Es ist so beruhigend." Ziehkind Elsa lässt sich kraulen - was mit ihr in der Zukunft passiert? "Sie bleibt bei uns, darf erwachsen werden und vielleicht auch mal Mama werden", freut sich Meißl.