Faul, arbeitsscheu, realitätsfern. So wird die „Jugend von heute“ oft von der älteren Generation beschrieben. Das trifft nicht auf die große Mehrheit zu, findet Selina Sperl. Die 16-Jährige aus Eggersdorf bei Graz besucht den dritten Jahrgang an der HLW in Weiz.

Erst kürzlich hat sie die Ausbildung zur Jungsommelière gemacht, im Kochunterricht wird sie zur veganen und vegetarischen Fachkraft ausgebildet, samstags arbeitet sie in einem Café. Der Nebenjob in der Gastronomie macht ihr Spaß. „Mein Chef behandelt mich auf Augenhöhe“, sagt sie.

„Ich will Fehler machen dürfen“

Ob Sperl auch nach der Schule in der Gastro-Branche arbeiten will, verneint sie. Sie will Lehrerin oder Journalistin werden. „Außerdem ist ein Job in der Gastro nicht der bestbezahlteste Beruf und wenn Familie und Freunde frei haben, muss ich arbeiten.“

Ihre Schulkollegin nickt. Vivien Bom bringt Erfahrung aus dem Familienbetrieb mit. Die „Wagenrad`l Bar“ in Stubenberg gehört ihrem Vater. Mitgeholfen hat sie dort schon immer. Ob sie das jemals hauptberuflich machen will, weiß sie nicht.

Was wünschen sich die beiden von ihren künftigen Arbeitgebern? „Einen freundlichen Umgang, Respekt, Vertrauen und Gerechtigkeit“, sagt Sperl. Die Angst, etwas falsch zu machen, spiele oft mit. „Ich will Fehler machen dürfen, mein Chef sollte das tolerieren“, wirft Alexander Töglhofer ein.

Im Gegensatz zu seinen Schulkolleginnen hat er schon einen fixen Plan und weiß, wo sein beruflicher Weg hinführen soll. Der Birkfelder will Flugbegleiter werden. Nach dem Zivildienst will er den Kurs absolvieren und bei einer Fluglinie anheuern. In den luftigen Höhen kann er seine Erfahrung in der Gastro und seine Liebe zu Reisen und Sprachen verbinden.

Nicht pauschalisieren

Zur angeblich „arbeitsscheuen Jugend“ hat er eine klare Meinung: „Man kann doch nicht alle in einen Topf werfen.“ Der 16-Jährige ist engagiert, sein Pflichtpraktikum absolviert er auf Korsika. Im Internet hat er einen Job in der Küche und als Servicekraft ergattert.

Im dritten Jahrgang müssen alle Schülerinnen und Schüler ein Praktikum absolvieren. Ins Ausland zu gehen ist nicht Pflicht: Leonie Payer zieht es etwa in die Obersteiermark, sie will sich die Arbeit einer Rezeptionistin ansehen.

Der Begriff „Work-Life-Balance“ (ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit) ist den Vieren bekannt: „Wenn ich den Job gerne mache, brauch ich keine Work-Life-Balance“, meint Töglhofer. Seine Kolleginnen stimmen ihm zu. Arbeiten gehen solle sich nicht wie eine „Strafe“ anfühlen, sondern Freude bereiten.

Branche denkt um

Den vier Jugendlichen bleibt noch Zeit, um sich für einen beruflichen Weg zu entscheiden. Der Trend zeige: Nur zwischen 15 und 20 Prozent der Absolventinnen und Absolventen der Weizer HLW würden in Gastronomie und Hotellerie einsteigen. Das soll sich ändern: „Unser Ziel sind 30 Prozent“, sagt Schulleiter Alfred Tieber.

Alfred Tieber, Schulleiter der HLW Weiz und der Fachschule für Sozialberufe
Alfred Tieber, Schulleiter der HLW Weiz und der Fachschule für Sozialberufe © KK

Gelingen soll das mit Vernetzung: „Wir bringen Betriebe in die Schule und Schüler in die Betriebe“, sagt er. Erst am gestrigen Dienstag war ein Chefkoch aus der Region zu Gast.

Tieber bemerke - speziell nach Corona - ein Umdenken in der Branche. „Die Betriebe tun mehr für ihre Mitarbeiter. Ich denke beispielsweise an Mitarbeiterhäuser oder flexible Dienste.“ Der Schulleiter ist davon überzeugt, dass man in ein paar Jahren über andere Absolventenzahlen sprechen wird, ein Imagewandel brauche Zeit ...