Oft dürfte die Überraschung groß sein, wenn Lena Retter aus der Fahrerkabine ihres Lkw steigt. Kein Wunder, denn mit ihren gerade einmal 19 Jahren passt sie wohl kaum in das stereotype Bild des Lastkraftwagenfahrers. "Die Leute sind oft wirklich fasziniert, wenn sie mich im Lastwagen sehen. Erst vor Kurzem hat mich zum Beispiel jemand auf der Autobahn überholt und dann aus dem Auto heraus noch mal zu mir zurückgeschaut", erzählt Retter lachend. Seit Juni ist die 19-Jährige für das Unternehmen ihrer Familie Retter Trans OG im Lkw mit 540 PS und rund 37 Tonnen unterwegs und ist damit eine der jüngsten Fahrerinnen der Steiermark.

Von Kindheit an fasziniert

Für die junge Oststeirerin sind Lkw keine neue Faszination, schließlich begeistern sie die Fahrzeuge schon ihr ganzes Leben lang. "Es war für mich immer etwas Besonderes, wenn ich früher mit meinem Vater mitfahren durfte und wir zum Beispiel im Lkw übernachtet haben", erinnert sich Retter. Auch die vielen Geschichten, die sie in ihrer Jugend von Lkw-Fahrern gehört habe, hätten einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Im Oktober 2022 machte sie deshalb den Lastwagenführerschein, um diese Faszination auch zum Beruf werden zu lassen. "Ich habe von vielen Freunden und Freundinnen gehört, dass sie sich das nicht trauen würden. Letztendlich ist das Lastwagenfahren aber auch nur Gewöhnungssache", schmunzelt sie.

Lena Retter ist überzeugt, dass ihr als Frau besonders auf die Finger geschaut wird
Lena Retter ist überzeugt, dass ihr als Frau besonders auf die Finger geschaut wird © Moritz Prettenhofer

Arbeit im Familienbetrieb

Nachdem sie zuerst bei Haas KG in Obersafen angeheuert hatte, wechselte Retter in den Familienbetrieb, wo man unter anderem mit Geflügeltransporten auf den Straßen Europas unterwegs ist. Neben ihren Eltern sind auch ihr Bruder und ihre Schwägerin im Unternehmen tätig. "Die Arbeit mit der Familie ist wirklich super. Ich habe damals beim Wechsel schon gesagt, dass das meine letzte Firma wird", lacht Retter. Es gelinge gut, die Arbeitszeiten fair aufzuteilen und dafür zu sorgen, dass jeder genug Schlaf erhalte. Letzteres ist besonders wichtig, da man meistens in der Nacht fahre. "Persönlich finde ich das sogar schöner, weil weniger auf den Straßen los ist", sagt die junge Truckerin.

Beindruckende Ruhe und Routine

An diesem Montag ist Lena Retter allerdings am Tag unterwegs. Ihre Fahrt führt sie nach Gschmaier, wo sie einige Ladecontainer für Hühner abliefern muss. Eine große Herausforderung scheint das nicht zu sein. Die junge Frau strahlt hinter dem Lenkrad eine beeindruckende Ruhe aus und erzählt tiefenentspannt von ihren Erfahrungen. Selbst das herausfordernde Einparkmanöver meistert sie mit Bravour. "Da bekommt man richtig Muckis beim Lenken. Bei der vielen Kurblerei kommt man doch ganz schön ins Schwitzen", scherzt Retter, während sie den Truck in die gewünschte Position bringt. Auch beim Abladen ist sie ruhig und routiniert bei der Sache. "Ein wenig wird einem als Frau schon auf die Finger geschaut. Bei männlichen Kollegen ist das wahrscheinlich nicht so", ist sie überzeugt. Das habe sie zu Beginn auch etwas nervös gemacht, mittlerweile könne sie es aber gut ausblenden.

Reisen in der zweiten Heimat

Aktuell fährt die 19-Jährige oft noch mit dem Lkw ihres Bruders, den sie bald übernehmen wird. Der Lkw bedeutet Retter viel und stellt für sie mehr als nur ein Arbeitsmittel dar: "Ein wenig lieb haben sollte man ihn schon. Es ist für mich nicht nur ein Fahrzeug, sondern eine zweite Heimat." Mit dieser möchte sie in Zukunft noch viel von der Welt sehen. "Meine weiteste Strecke war bisher nach Dubrovnik. Da habe ich es besonders genossen, am Meer entlangzufahren." Wenn sie sich wünschen könnte, wohin die nächste Fahrt gehen soll, hat Retter auch bereits ein Ziel vor Augen: "Ich möchte auf jeden Fall einmal nach Frankreich fahren."

Der Lkw bedeutet Lena Retter viel - sie verknüpft damit auch viele Kindheitserinnerungen
Der Lkw bedeutet Lena Retter viel - sie verknüpft damit auch viele Kindheitserinnerungen © Moritz Prettenhofer