Der Randstein - ein alltägliches Hindernis, das die meisten Menschen gar nicht richtig beachten. Überquert man die Straße vor der Mittelschule Rieger in Hartberg hebt man einfach kurz seinen Fuß und schon ist man auf dem Gehsteig. Was für die meisten Menschen eine alltägliche Kleinigkeit ist, ist für Menschen, die im Rollstuhl sitzen, eine Herausforderung.
Das erkennen auch die Schülerinnen und Schüler der vierten Klasse der MS Rieger, als sie in Rollstühlen versuchen, das Hindernis zu überwinden. Die Reifen streifen an der Kante, doch egal wie schwungvoll die Schüler antauchen, immer wieder rollen sie zurück. Eine Schülerin verzweifelt an der Herausforderung. Sie holt Schwung, rollt wieder zurück. Sie versucht ihr Gleichgewicht nach vorne zu verlagern, rollt wieder zurück. Sie verlagert ihr Gewicht nach hinten, rollt wieder zurück. Nach dem dritten gescheiterten Versuch steht ihr die Verzweiflung ins Gesicht geschrieben. "Unmöglich", gibt sie schließlich auf. Robert Narnhofer rollt mit einer Leichtigkeit an ihr vorbei und überwindet den Randstein, indem er sich nach hinten lehnt und nur auf den Hinterreifen balanciert. "Da merkt man erst, was 'barrierefrei' wirklich bedeutet", sagt Narnhofer.
Und genau aus diesem Grund ist er an diesem Tag gemeinsam mit Simone Kager und Karl Hofbauer in der Schule. Als Obmann der Behinderten-Selbsthilfegruppe will er die Schüler gegenüber Menschen mit Handicap sensibilisieren. "Wir haben jetzt diese 'Krankheit'. Das muss man einfach akzeptieren und so nehmen, wie es ist", sagt Simone Kager den Schülern, die aufmerksam ihrer Geschichte lauschen.
Alltag bewältigen, trotz Handicap
Ihre Geschichte ist so banal, wie schrecklich: Gemeinsam mit ihrem Ehemann ist sie Motorrad gefahren. Sie erzählt, wie sie bei dem Unfall vom Fahrzeug geschleudert wurde, unglücklich in einem Bach landete und seitdem querschnittsgelähmt ist. Schritt für Schritt musste sie die alltäglichen Kleinigkeiten in der Reha-Klinik neu lernen. "Wirklich herausfordernd war es dann aber zu Hause", erinnert sie sich. Denn dort war nichts barrierefrei eingerichtet und sie musste ein Kleinkind versorgen. Ein weiteres Kind und eine speziell angefertigte Küche später meistert die Verkäuferin heute ihren Alltag wie jeder andere, trotz Handicap. Dennoch begegnet sie jedem Tag aufs Neue Herausforderungen, die sie vor ihrem Unfall gar nicht wahrgenommen hatte. Das zeigt sie an diesem Tag auch gemeinsam mit den anderen Vereinsmitgliedern den Schülerinnen und Schülern.
Gleichgewicht ist alles
Eine davon ist ein Gehsteig, der nicht eben ist, ein Hügel ragt empor. Eine Kleinigkeit? Mit den Händen schubst eine Schülerin immer wieder die Reifen ihres Rollstuhls an, kommt aber nur wenige Zentimeter voran. Sie ist erleichtert, als sie endlich den höchsten Punkt erreicht. "Der schwierige Teil kommt jetzt erst", weiß Narnhofer. Unwissend schubst das Mädchen ihren Rollstuhl an und lehnt sich dabei automatisch zurück. Ein großer Fehler. Sie verliert das Gleichgewicht und der Rollstuhl kippt zurück. "Ahhhh", schreit sie verzweifelt und versucht, ihr Gewicht wieder nach vorne zu verlagern. Dennoch kippt die Lehne des Rollstuhls immer weiter nach hinten. Zum Glück steht eine Mitschülerin direkt hinter ihr und fängt sie auf. Lektion gelernt.
Eine Sache gibt es aber noch, die die Drei den Schülern zeigen wollen, den Behindertenparkplatz. "Genau das ist der Grund, warum dieser immer breiter ist als die restlichen Abstellplätze", sagt Kager, während sie ihre Autotür öffnet, sich mit dem Rollstuhl neben dem Sitz platziert und langsam nach oben hievt. Ein Bein nach dem anderen legt sie unter das Lenkrad und platziert sich so, dass sie sich später mit einem kräftigen Ruck auf den Sitz befördern kann. Mit voller Kraft zieht sie sich mit den Händen am Lenkrad hoch und landet schließlich auf dem Fahrersitz. Geschafft. Mit solchen Lektionen sollen die Schüler einen kurzen Einblick in ihren Alltag und die Schwierigkeiten, die dahinter liegen, erhalten.