Sie haben heiße Ware im Gebäck – jene Bäckerinnen und Bäcker, die ihre Kunden noch direkt bis vor die Haustür beliefern. Oder, wie man früher sagte, „Gai fahren“. „Gai ist der alte Begriff für Revier“, erklärt Andreas Jelinek, Geschäftsführer der Bäckerei Gotthardt mit neun Standorten. Unter anderem: Kaindorf, Pöllau, Hartberg oder Oberwart. Sechs Fahrer und Busse der Bäckerei sind derzeit im Dienste einer backfrischen Nahversorgung in der Region unterwegs.

„Jeder hat bei uns seine eigene Tour. Das Gebiet erstreckt sich von Kaindorf bis Weiz. Wir sind aber auch im Umkreis von Oberwart und Fürstenfeld unterwegs“, so Jelinek. Im Sortiment befinden sich nicht nur Klassiker wie Brot und Gebäck, sondern auch ein Kühlschrank mit Torten. Man kann aber auch seinen Milch-, Nudel- und Mehlvorrat aufstocken.

Gotthardt-Geschäftsführer Andreas Jelinek mit den Lehrlingen Anna-Lena Schirnhofer und Clara Friesenbichler
Gotthardt-Geschäftsführer Andreas Jelinek mit den Lehrlingen Anna-Lena Schirnhofer und Clara Friesenbichler © Carmen Oster

„Gai-Fahren“ beliebter, denn je

Das „Gai-Fahren“ stammt noch aus Zeiten, in denen Autos noch Mangelware waren. Dass es die Touren in Zeiten von Teuerung und gestiegenen Spritpreisen noch immer gibt, liegt aber nicht an einer nostalgischen Ader der Bäcker. Nein, die Touren basieren auf harten Fakten. „Wir haben exakte Modellrechnungen, es wird sehr genau kontrolliert, ob es sich auch wirklich auszahlt“, so Jelinek.

Vor rund 10 Jahren habe man allerdings schon einmal überlegt, die Touren einzustellen. „Aber spätestens, während der Pandemie haben die Leute dann wieder ein Bewusstsein dafür entwickelt, was es heißt, ein echtes handgemachtes Produkt zu bekommen. Und das dann auch noch geliefert.“

Backen als Familien-Tradition: Johann und Johannes Binder aus Deutsch Goritz
Backen als Familien-Tradition: Johann und Johannes Binder aus Deutsch Goritz © Privat

Die Semmeln kamen mit der Pferdekutsche oder dem Rad

Dieser Einschätzung kann Bäcker Johannes Binder von der Bäckerei Binder in Deutsch Goritz nur zustimmen. „Während der Corona-Pandemie gab es einen regelrechten Boom: Plötzlich hatten wir Ortschaften, die wir komplett beliefert haben“, erinnert sich der 25-Jährige. „Ich denke, dass es da auch stark um den sozialen Kontakt ging, vor allem bei älteren Menschen, die alleine leben.“

Fünf Fahrer/Busse der Bäckerei beliefern an sechs Tagen in der Woche ein Gebiet im Radius von 25 Kilometern rund um Deutsch Goritz. „Wir fahren unter anderem bei Bad Radkersburg bis Sicheldorf, nach Mureck, Weitersfeld, nach Straden und Bad Gleichenberg“, so der Bäcker, dessen Oma und Opa schon Gebäck persönlich geliefert haben.

Oder man stellte mit dem Rad zu
Oder man stellte mit dem Rad zu © Privat

Damals eben mit dem Rad oder der Pferdekutsche. „100 Semmeln links am Lenker, 100 Semmeln rechts am Lenker und noch einmal 100 in einem Rucksack.“

Trotzdem mache sich auch der demografische Wandel in dieser Hinsicht bemerkbar. „Früher haben wir gleich einmal einen zwei Kilo Laib Brot und zehnerweise Semmeln verkauft, weil einfach ganze Familienverbände versorgt wurden. Heute sind die Haushalte kleiner und es geht nicht mehr so viel weg“, erklärt der 25-Jährige, der sich, sobald er den Führerschein hatte, bei den Touren etwas dazuverdient hat.

„Die Kinder hüpfen vor Freude“

„Das Schönste sind die Kinder, die sich so ehrlich und aufrichtig freuen, wenn der Bäcker ums Eck biegt und hupt. Sie hüpfen regelrecht vor Freude. Dann gibts ein Briochekipferl oder ein Dreh-und-Trink. Da geht mir einfach das Herz auf.“