Knapp ein Monat nach dem verheerenden Hochwasser im Bezirk Hartberg-Fürstenfeld versinkt Bäuerin Petra Winkler-Heschl in einer einer Flut an eingeschriebenen Briefen und E-Mails: Die Versicherungsbürokratie scheint losgetreten und seit einigen Wochen bereitet eine ausstehende Summe der Putenzüchterin schlaflose Nächte: Denn offenbar weigert sich die Tierversicherung der Familie, die Entschädigung für jene Puten zu bezahlen, die beim Hochwasser vor wenigen Wochen verendet waren. Insgesamt waren in der näheren Umgebung 12.000 Puten ertrunken – auf einer Summer von mehr als 200.000 Euro könnten die betroffenen Bauern nun sitzen bleiben.

Anfragen gestellt

Von Beginn an hat Bäuerin Petra Winkler-Heschl ihre Tiere bei der deutschen „R+V“-Versicherung eingeschrieben – einer Ertragsschaden-Versicherung für landwirtschaftliche Nutztiere mit Sitz Wiesbaden (Deutschland). Für den Versicherungsschutz haben die Putenzüchter-Familie jährlich eine Prämie von 2000 Euro bezahlt. Zwei Drittel ihrer Puten, rund 3000 Tiere, sind nun im Hochwasser verendet - ein Verlust von 80.000 Euro. „Diesen Betrag weigert sich die Versicherung nun trotz mehrmaliger Anfrage schlichtweg zu bezahlen“, klagt die Landwirtin. „Eine Summe, die uns in kürzester Zeit in den Ruin treiben könnte.“

Ein ähnliches Bild der Verwüstung hat der 9. Juni auch in Grafendorf gezeichnet: Im Stall von Putenzüchter Helmut Schuller sind mehr als 5000 Tiere verendet, ein Verlust von rund 90.000 Euro. „Die Versicherung hat mir mitgeteilt, dass Tierverluste durch Hochwasser nicht gedeckt seien, was eine absolute Frechheit ist“, erzählt der Bauer zornig. „Ich weiß derzeit nicht, ob und wie ich weiter tun soll, das ist absolut fahrlässig und existenzgefährdend“, so der Bauer.

3000 Tiere sind alleine in diesem Stall in Unterlungitz verendet
3000 Tiere sind alleine in diesem Stall in Unterlungitz verendet © Wurzinger

So reagiert die Versicherung

In ihren Schreiben, berichten die Bauern weiter, wolle die Versicherung nun akribisch genau wissen, wie so viele Puten auf ihren Höfen in Unterlungitz und Grafendorf innerhalb kürzester Zeit verenden konnten. „Man versucht offenbar einen Weg zu finden, der ein Zurückbehalten der Schadensumme rechtfertigt und spricht nicht von einem Unfall, sondern von höherer Gewalt“, meint Petra Winker-Heschl.

Betreut werden die beiden Landwirte seit Jahren vom Versicherungs-Mehrfachagenten Thomas Koch in Hartberg, der das Hochwasser in seiner Schadensmeldung an die deutsche Versicherung nicht als höhere Gewalt, sondern als Unfall deklariert hat: „Das Wasser hat die Stalltore so stark beschädigt, dass es für die Tiere kein Entkommen gab“, argumentiert der Versicherungsagent und hofft auf eine Kompromissbereitschaft der deutschen Tierversicherung. Auf Anfrage der Kleinen Zeitung beruft sich diese auf Vertragsklauseln: Elementarschäden durch Naturkatastrophen wie Überschwemmungen seien aufgrund ihrer Unvorhersehbarkeit und des potenziell großen Ausmaßes oft von Verträgen ausgenommen. Es gebe aber die Möglichkeit, derart seltene Schäden vorab in vertraglich in Deckung zu geben, hieß es weiter.

Verluste durch Seuche gedeckt

Erwischt hat es auch Putenmäster Lukas Raser aus Unterrohr. Zwar konnten er und seine Familie 4000 Küken vor dem Ertrinken retten, dennoch mussten alle Tiere wenige Tage darauf geschlachtet werden, weil sie sich im Schlamm mit Salmonellen infiziert hatten. „Glück im Unglück“, meint Thomas Koch. „Hier sind die Tiere nicht durch das Hochwasser verendet, sondern weiterer Folge an einer Seuche, die von der Versicherung wiederum gedeckt ist“, so Koch.

Tatsächlich: Laut eigenen Angaben im Versicherungskatalog kommt die deutsche „R+V“-Ertragsschadenversicherung zwar für Ertragseinbußen in Tierställen auf. Gedeckt sind etwa Tierseuchen, Unfälle im Stallgebäude (Stichwort: Lüftungsanlagen) oder auch Brandschäden. Verluste durch Hochwasser sind nicht angeführt.

Herbert Lebitsch, Bezirkskammerobmann in Hartberg-Fürstenfeld, stellt sich auf die Seite der Putenbauern
Herbert Lebitsch, Bezirkskammerobmann in Hartberg-Fürstenfeld, stellt sich auf die Seite der Putenbauern © Wurzinger

Dieser Zustand erboßt auch die steirische Landwirtschaftskammer, die den Puten-Bauern in der Causa den Rücken stärkt : „Wenn es hier zur keiner Lösung kommt, spricht nichts dagegen, juristische Wege einzuleiten“, meint Bezirkskammerobmann Herbert Lebitsch aus Fürstenfeld.

Der Putenstall von Helmut Schuller in Grafendorf steht seit 9. Juni leer
Der Putenstall von Helmut Schuller in Grafendorf steht seit 9. Juni leer © privat

Gemeinsam möchte man sich in zwei Wochen, am 18. Juli, ein Bild der Sachlage vor Ort machen: Versicherungs-Agent, Geflügelabteilung der Landwirtschaftskammer und mehrere Geschäftsführer der deutschen „R+V“-Versicherung treffen sich zu einem Gespräch in der der Oststeiermark. „Es wird bestimmt zu einer Lösung kommen“, ist Thomas Koch überzeugt. Die deutsche Versicherung ist meist kooperativ.“