Es ist ein stechend verwesender Geruch, der zwei Tage nach den verheerenden Hochwasserfluten in Unterlungitz in der Luft liegt. Im Ort ist es ruhig. Die ersten notwendigen Pumparbeiten nach dem Unwetter sind abgeschlossen - ein Bild der Verwüstung vor den Häusern ist geblieben: vernichtete Gärten, vermurte Autos und zerstörte Brückengeländer prägen das Ortsbild am Montag. Selten gibt es einen Platz, an dem nicht weiße Federn am Boden oder an den Hausmauern kleben. „Was sich hier abgespielt hat, war die Hölle auf Erden“, erzählt Bäuerin Petra Winkler-Heschl. 3000 ihrer Puten sind in den Fluten ertrunken.
Der Stall der Familie ist sehr massiv gebaut. Hofseitig auf einer Anhöhe, entlang der geschlossene Seite fließt der Lungitzbach. „Den Tieren ging es hier immer gut“, erzählt die Landwirtin. Niemand hätte je zu denken gewagt, dass ihnen das Wasser zum Verhängnis werden könnte. „Plötzlich war nicht der Bach die Gefahr, sondern das Wasser, das vom Berg herunter geschossen ist“, erinnert sich die Oststeirerin an die Sturzfluten am Samstag.
„Wir waren bei einem Fußballspiel. Plötzlich schreit meine Tochter ins Telefon, all unsere Tiere würden tot durch den Ort schwimmen.“ Die Wassermassen hatten das Tor aufgedrückt, den Stall geflutet und alle Tiere über eine kleine Luke ins Freie gerissen. Nur 1000 der insgesamt 4000 Tiere im Stall haben überlebt. „Puten können nicht schwimmen. Sie bekommen die Panik und stürmen in eine Ecke. Die Welle hat den Stall leer geräumt und alle Tiere mitgerissen“, schildert die Bäuerin.
Von den meterhohen Wellen erfasst, wurden die Tiere durch den gesamten Ort gespült. „Teilweise hatten sie noch gelebt, teilweise waren sie tot in Zäunen, Autoreifen oder Böschungen verfangen“, erzählt Winkler-Heschl. Mit Hilfe der Nachbarn konnten noch einige wenige Tiere aus dem reißenden Wasser gerettet werden. „Viele im Ort haben alles stehen gelassen, um unsere Tiere zu retten, dafür sind wir so dankbar“, so die Putenzüchterin. Der Großteil der verendeten Puten wurde mittlerweile von der Tierkörperverwertung (TKV) abgeholt.
Versicherungsfrage nicht geklärt
Insgesamt rechnet die Familie nun mit einem Schaden von 80.000 Euro. Die meisten Putenzüchter seien nur auf Seuchenkrankheiten oder Schäden durch Massenpaniken im Stall versichert, nicht aber auf Hochwasser oder andere Naturkatastrophen, erklärt die Familie.
Was auf die betroffenen Bauern nun zukommt, sei ein langwieriger Weg der Bürokratie: „Wir hoffen, dass unsere Tierschutzversicherung rasch und unkompliziert bezahlt“, so die Landwirtin. In den nächsten acht Wochen steht der Stall voraussichtlich leer. Reinigung und Desinfektion stehen nun auf dem Programm. „Für die nächsten Küken müssen wir 28.000 Euro vorfinanzieren. Ein ähnliches Bild auf dem Hof von Helmut Schuller in Lafnitz: Hier sind 5000 Puten verendet.
„Es trifft eine landwirtschaftliche Branche, die ohnehin schon zu kämpfen hatte“, spricht Landwirtschaftskammer-Obmann Herbert Lebitsch bei einem Betriebsbesuch die Preisdebatte bei Putenfleisch an.
Noch am Sonntag hatten er und Agrarlandesrätin Simone Schmiedtbauer (ÖVP) ihre Unterstützung für die betroffenen Bauern im Bezirk zugesagt. „Den größten Schaden verzeichnen wir in den stehenden Kulturen: Knoblauch, Sojabohne, Erdäpfel und Erdbeeren sind so gut wie vernichtet“, erklärt Lebitsch. In den nächsten Tagen stehen erste Schadenserfassungen und Grundstücksanalysen an.