In jungen Jahren fuhr der Südtiroler Peter Pircher hobbymäßig Motorradrennen. Begleitet von seiner damaligen Freundin und jetzigen Gattin Daniela ging es per Wohnwagen samt zwei Rennmaschinen im Anhänger über Fürstenfeld Richtung Budapest, um am dortigen Hungaro-Ring den Adrenalinkick auf zwei Rädern zu erleben. Damals hätte sich das Südtiroler Paar wohl nicht träumen lassen, jemals Wurzeln in der Oststeiermark zu schlagen. „Die sanfthügelige Gegend hat uns auf Anhieb bei der Durchreise gefallen“, erinnert sich der ehemalige Vertreter für Landmaschinen und Beschneiungsanlagen an seine Ersteindrücke zurück.

Trotz Preisexplosion

Inspiriert von der gemeinsamen Idee, das Einfamilienhaus in der Gemeinde Klausen gegen einen Bauernhof einzutauschen, ließ das Ehepaar auf die gezielte Suche nach einem passenden Gehöft gehen. „Das, was uns in Südtirol angeboten wurde, hat uns entweder nicht gefallen, oder war preislich für uns unerschwinglich“, erzählt der Neo-Pöllauer. Folglich weitete man den Radius des Findungsprozesses über die Landesgrenzen aus.

Als man die Verkaufsanzeige der Landwirtschaft im Pöllauer Tal las, setzte man sich kurz entschlossen ins Auto und nahm die rund 500 Kilometer Distanz für einen Besichtigungstermin mit offenem Ausgang in Kauf. Es sei Liebe auf den ersten Blick gewesen, so Daniela Pircher. Besonders die Einzellage des Hofes in Saifenboden mit Blick auf die Wallfahrtskirche Pöllauberg hatte es ihnen angetan. Nachdem die Hürde der Grundverkehrskommission genommen worden war, ging alles recht flott. Die Tinte am Kaufvertrag war noch nicht trocken, als die Übersiedelung eingeläutet wurde. Das Abenteuer für das Ehepaar und ihre beiden Kinder konnte beginnen. Das war vor knapp vier Jahren.

Aus dem Stall wurde ein Hotel
Aus dem Stall wurde ein Hotel © Brugner

Hier angekommen, hieß es erst einmal kräftig in die Hände zu spucken. Eine Totalsanierung des Hauses samt großzügigem Zubau mit fünf komfortablen Fremdenzimmern stand an. Die Preisexplosion gewisser Baumaterialien, speziell für Holz, zu Beginn der Corona-Krise ließ die Sorgenfalten anwachsen.

Dass der „Pircherhof“ heute mit Tannenholz ummantelt ist, resultiert daraus, dass man kostenbedingt auf Lärchenholz verzichtete und stattdessen die notwendigen Tannen im eigenen Wald fällte. Das architektonische Resultat hätte besser wohl nicht sein können: Schlicht, bodenständig und nachhaltig. Um ein Dach über den Kopf zu haben, mietete man während der Bauphase einen großen Wohnwagen an, der als temporäres Zuhause diente.

Viele Handgriffe hat es gebraucht, bis die Familie die ersten Gäste in Empfang nehmen konnte
Viele Handgriffe hat es gebraucht, bis die Familie die ersten Gäste in Empfang nehmen konnte © Brugner

Dass heute neben der Eingangstür ein Emblem mit fünf Blumen, die höchstmögliche Kategorisierung in der touristischen Sparte „Urlaub am Bauernhof“, prangt, spricht für den Fleiß, das Durchhaltevermögen und die herzliche Gastfreundschaft der Zuwanderer mit italienischem Pass. „Zurzeit gibt es in der gesamten Steiermark nur vier bäuerliche Betriebe mit dieser Auszeichnung“, freut sich Daniela Pircher über diesen „Ritterschlag“. Teilweise geschuldet ist er auch der touristischen Ausrichtung des Hauses.

Man spricht gezielt gestresste, ruhesuchende Menschen an, weshalb Familien mit Kindern nicht zum Zielpublikum gehören. „Das eine schließt das andere aus“, betont Daniela Pircher, die Zimmermädchen, Küchenchefin und Gastgeberin in Personalunion verkörpert. Sie ist außerdem eine Verfechterin regionaler landwirtschaftlicher Produkte, weshalb man auch keinen Orangen- oder Grapefruitsaft beim Frühstücksbuffet zu trinken bekommt. Das Fleisch kommt auch aus dem eigenen Stall.

Peter Pirchers Leidenschaft ist die Rinderzucht
Peter Pirchers Leidenschaft ist die Rinderzucht © Brugner

Die Domäne des 51-jährigen Hausherrn ist die Rinderzucht. Als Zuchtstätte seltener Nutztierrassen wie Kärntner Brillenschafe und Rinderarten wie Zillertaler Tuxer oder Pustertaler Sprinzen ist man als Arche-Hof klassifiziert. Obendrein trägt der Pircherhof das Gütesiegel eines Biobetriebes. Heimweh haben die Pirchers nie verspürt. Ihre Südtiroler Identität werden sie aber nicht ablegen. Vielmehr haben sie die oststeirische dazu gewonnen.