"Jeder, der selbst Kinder hat, fürchtet sich vor solch einer Situation und wünscht sich alles, nur das nicht – dass sein Kind lebensbedrohlich und unheilbar krank ist", sagt Sylvia Györfy. Als Präsidentin des steirischen Vereins "KINDER.leben auf zeit" kennt sie mittlerweile viele unfassbar traurige Geschichten und Familien, in denen der Alptraum zum Alltag wurde. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, jene steirischen Familien und Kinder finanziell zu unterstützen – dort, wo es über die öffentliche Hand hinausgeht.

Familie Jocher ist eine dieser Familien, die auch unverschuldet auf der Schattenseite gelandet sei – "denn niemand verschuldet die schwere Krankheit seines Kindes", sagt Györfy. Drei Monate alt war Lena Jocher, als ihre Eltern Heike und Andreas den Befund in den Händen hielten, der ihr aller Leben – auch das ihrer dreieinhalb Jahre älteren Schwester Laura – von diesem Zeitpunkt weg auf den Kopf stellen sollte. "Lena hat einen Gendefekt. Sie kann nicht sprechen und nicht gehen, sie kann eigentlich nichts alleine machen und braucht uns 24 Stunden", erzählen Lenas Eltern.

"Es war damals, als hätte uns jemand den Boden unter den Füßen weggezogen, wie ein Schlag ins Gesicht", erinnert sich Heike Jocher 16 Jahre zurück. Sie habe sich bloß eine Frage gestellt: "Warum? Weil ich aber keine Antwort bekommen habe, weder vom Arzt noch von mir selbst oder jemand anderem, habe ich zu mir gesagt: Ok. Es ist jetzt so, und fertig."

"Es geht um Zeit"

Über das mobile Kinderpalliativteam, das Familie Jocher schon jahrelang betreuend zur Seite stand und sie oft aufgefangen habe, kamen sie schließlich mit dem Verein in Berührung. Denn "KINDER.leben auf zeit" arbeitet mit den beiden mobilen Kinderpalliativteams in Leoben und Graz zusammen. "Die Mitarbeiter dieser beiden Teams sind für alles Medizinische und Beratende zuständig. Wir als Verein schauen, dass wir das Geld bereitstellen – für die Dinge, die eben nicht die öffentliche Hand abdeckt, wie etwa einen Badezimmerumbau, einen speziellen Buggy oder einen Therapiestuhl", sagt Györfy. Ein Therapiestuhl war es auch, der für die 16-jährige Lena angeschafft wurde.

Sylvia Györfy, Präsidentin vom Verein "KINDER.leben auf zeit"
Sylvia Györfy, Präsidentin vom Verein "KINDER.leben auf zeit" © Marija Kanizaj

Und weil der Zeitfaktor in den betroffenen Familien eine entscheidende Rolle spielt, agiert der Verein so rasch als möglich, oft noch am selben Tag, an dem ein Antrag einlangt. "Wenn sich etwa der Zustand eines Kindes verschlechtert, muss es schnell gehen, es geht um Zeit", sagt Györfy und erklärt: "Unsere Kinder haben alle aus heutiger medizinischer Sicht keine Chance auf Heilung. Natürlich kann sich in der Medizin immer etwas tun, aber grundsätzlich ist diese Form der Erkrankung endgültig." Die Spenden gehen rein an Familien, die über eines der beiden mobilen Kinderpalliativteams betreut werden, die würden schließlich genau wissen, was das Kind benötigt.

Nach diesem Jahr, seit dem es "KINDER.leben auf zeit" nun gibt, habe ihr der Verein jetzt schon so viel mehr gegeben, als sie selbst jemals geben könne, meint Györfy. "Weil es so viele Dinge relativiert. Die Arbeit zeigt, was wirklich wichtig ist im Leben. Unglaublich, wie kraftvoll Elternteile und alle Geschwister sind, die solche Situationen über Jahre hinweg meistern."