Die Zeile "Was ich später einmal werden möchte" hat Karin Jöchlinger als junges Mädchen in Freundebüchern meist ohne viel zu überlegen rasch befüllt: "Bäuerin. Ich war schon im Kindergarten fest davon überzeugt, Bäuerin zu werden. Das war schon immer mein absoluter Traumberuf - und verwirklicht mich selbst."
Aufgewachsen auf einer Landwirtschaft in Schladnitz, mit einer Matura an einer Höheren Landwirtschaftlichen Fachschule in der Tasche, ist Jöchlinger mit 30 Jahren Vierfach-Mädchen-Mama, verheiratet und Direktvermarkterin. Den Bauernhof ihrer Schwiegereltern in St. Michael gemeinsam mit Mann Gerhard übernehmen zu dürfen, sei eine Ehre gewesen, sagt sie: "Wir versuchen zugleich, Dinge beizubehalten wie auch frischen Pepp reinzubringen." So haben sie sich als zweites Standbein die Direktvermarktung ihrer Milchprodukte aufgebaut: "Milch ist ein so vielseitiges Produkt. Und die Verarbeitung hat etwas mit experimentieren zu tun. Es ist spannend, wie sich etwa Käse verändert, wenn ich an der Rezeptur nur minimal etwas ändere."
"Könnten ohne Direktvermarktung nicht überleben"
400 Liter Milch fließen pro Woche aus dem Stall in die weitere Verarbeitung, wo Jöchlinger Joghurt, Molke, Topfen und Frischkäsebällchen herstellt - oft dann, wenn abends alle Kinder im Bett liegen. Sie vermarktet die Produkte in einem Selbstbedienungskühlschrank am Bauernhof (Aiching 1) über den "Klein aber Fein Laden" im Ort, Lagerhaus, Reformhaus und die Imkerei Stabler in Kammern. All die Abnehmer seien für sie mittlerweile überlebensnotwendig, erzählt Jöchlinger: "Mit 25 Milchkühen und der Nachzucht könnten wir nicht mehr überleben. Ohne die Direktvermarktung ginge es nicht mehr." Trotzdem könne sie sich keinen schöneren Beruf ausmalen.
Natur, Tiere, viel Zeit für Familie und Kinder, die von klein auf im Stall stets an ihrer Seite mitlaufen, früh eine Eigenständigkeit entwickeln und vieles spielerisch erlernen, zählt sie als schöne Seiten ihres Berufs auf. "Die Kinder wissen, dass man arbeiten muss, um sich etwas zu verdienen. Und sie sind richtig stolz, wenn sie mir helfen können", so Jöchlinger, die auch Schattenseiten nicht verschweigen will. Sie gesteht, in manchen Momenten wahrlich am Ende ihrer Kräfte zu sein. "Alles zusammen ist oft anstrengend. Manchmal wünsche ich mir, dass der Tag 48 Stunden und ich ein paar Hände mehr hätte. Aber ich strudle mich nicht mehr. Was geht, das geht."
"Es gibt immer einen Weg"
Weil potenzielle Nachfolger am Hof nicht immer Schlange stehen, sind heutzutage viele Landwirte dazu gezwungen, ihre Betriebe aufzulösen. Ob sie jene Entscheidung junger Leute, die einen Betrieb nicht fortführen möchten, verstehen kann? "Irgendwie schon, ja. Aber ich brächte das nicht übers Herz. Den Hof, in den alle schon so viel reingesteckt haben, sterben zu lassen - das gäbe es für mich nicht. Freilich ist heutzutage vieles schwierig. Aber es gibt immer einen Weg."