Mit 15 Scherenstichen und einem Geschenkband wurde ein Neugeborenes in den späten Abendstunden des 21. Februar 2023 kurz nach seiner Hausgeburt in Kapfenberg getötet. Im Juni 2024 musste sich die Mutter dafür in Leoben vor dem Gericht verantworten. Als Motiv gab sie an, dass sie allein und überfordert gewesen sei. „Das Kind hat auch nicht geschrien, als ich die Nabelschnur durchgeschnitten habe. Als es nicht auf mich reagiert hat, habe ich zugestochen. Ich weiß nicht mehr, wieso ich das getan habe“, sagte die 29-Jährige vor Gericht. Sie wurde zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten bedingt auf drei Jahre verurteilt. Das Oberlandesgericht Graz erhöhte, nachdem die Staatsanwaltschaft Leoben Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben hatte, auf eine teilbedingte Haftstrafe (20 Monate, vier davon unbedingt). Damit schien der Fall eigentlich abgeschlossen – zumindest bis jetzt.
Denn die StA Leoben hat nun - erneut - Ermittlungen gegen den Vater der Verurteilten, also den Großvater des getöteten Säuglings, aufgenommen, wie die „Kronen Zeitung“ zuerst berichtet hat. Das bestätigte Staatsanwalt Andreas Riedler auf Nachfrage der Kleinen Zeitung. Er wird des Beitrags zum Mord verdächtigt, aktuell befindet er sich auf freiem Fuß.
Großvater befand sich ebenfalls in der Wohnung
Die Rolle des Großvaters war bereits während des Prozesses Thema. Laut Schilderungen befand er sich zum Zeitpunkt der Tat in der gleichen Wohnung wie seine Tochter. Von der Geburt und der Tötung des Säuglings hat er aber angeblich nichts mitbekommen. „Ich bin überzeugt, dass der Vater mehr weiß, als er sagt, aber die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen eingestellt“, merkte der Richter bei der Hauptverhandlung im Juni an.
Die Verurteilte will weder um Hilfe gerufen noch geschrien haben. „Da hätte er mich gehört“, sagte sie vor Gericht. Ihr Vater habe dann am nächsten Tag die Wohnung verlassen, um nach Wien zu fahren. Gesehen hätte sie ihn davor nicht mehr, gab die Frau an.
Von der Beziehung seiner muslimischen Tochter mit einem Christen hat er angeblich, ebenso wie seine Frau, nichts gewusst. „Das hätten sie nicht akzeptiert“, betont der Vater des getöteten Kindes vor Gericht. Einzig der Bruder der Hauptangeklagten wusste davon.
Diese zweifelhaften Angaben während der Hauptverhandlung und ein gynäkologisches sowie gerichtsmedizinisches Gutachten führten dazu, dass erneut gegen den Mann ermittelt wird. Geklärt werden soll unter anderem die Frage, ob die Frau überhaupt in der Lage war, die Tat allein zu begehen. Die Notärztin, die am Tag nach der Tat in die Wohnung gerufen wurde, sprach von einem Blutverlust von ein bis 1,5 Litern bei der Mutter. Das hätte Bewusstseinsstörungen zur Folge gehabt. Zu diesem Schluss kam auch ein Sachverständiger: „Die Zurechnung zum Tatzeitpunkt war weitestgehend eingeschränkt“, bestätigte er.
Freund und Schwägerin standen ebenfalls vor Gericht
Neben der Täterin wurde bei der Hauptverhandlung auch ihre Schwägerin verurteilt. Sie hatte versucht, das tote Baby, die Plazenta und die blutige Kleidung in Müllsäcken verschwinden zu lassen. Ein Rettungssanitäter nahm ihr die Säcke jedoch ab. Wegen versuchter Unterdrückung von Beweismitteln und Störung der Totenruhe wurde sie zu drei Monaten bedingt auf drei Jahre verurteilt.
Dem Vater des toten Säuglings wurde unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen, weil er auf die Nachricht seiner Freundin am Tatabend nicht reagiert hat. „Ich glaube, ich war schwanger, Schatz“, hatte sie ihm geschrieben und dazu Fotos von einer Blutlache und ihren blutverschmierten Beinen geschickt. Er rief jedoch weder die Rettung noch fuhr er zu ihr nach Hause. „Das war der größte Fehler meines Lebens“, antwortete der 26-Jährige vor Gericht. Er nahm das Angebot einer Diversion an und zahlte eine Buße in der Höhe von 1500 Euro.