Weil sie ihr Baby im Februar des Vorjahres unmittelbar nach der Geburt aus Überforderung getötet haben soll, stand am Mittwoch eine 29-jährige Obersteirerin in Leoben vor Gericht. Neben der Mutter sind auch ihr Lebensgefährte und ihre Schwägerin angeklagt. Während dem Mann unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen wird, geht es bei der Schwägerin um Störung der Totenruhe und den Versuch der Unterdrückung von Beweismitteln. Vor Gericht zeigten sich alle drei Angeklagten geständig. Am Mittwochnachmittag fiel das Urteil: Die Frau wurde zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten bedingt auf drei Jahre verurteilt. Die Angeklagte nahm das Urteil an.

In den späten Abendstunden des 21. Februar 2023 hatte die damals 27-Jährige ihr Kind alleine in ihrer Wohnung zur Welt gebracht und dabei viel Blut verloren. „Als ich aufgewacht bin, war die Matratze voller Blut. Ich wollte ins Bad, aber bin beim Aufstehen aus dem Bett umgekippt“, sagt die Angeklagte. Sie will die Schwangerschaft bis zu den Wehen nicht bemerkt haben, weil ihre Regelblutung nicht ausgeblieben sei und sie zudem auch kaum an Gewicht zugenommen habe.

Nachricht

Sie schickte ihrem Freund Fotos von einer Blutlache und ihren blutverschmierten Beinen und schrieb ihm die Nachricht „Ich glaube, ich war schwanger, Schatz.“ Der Profifußballer, der bei Freunden ein Fußballmatch schaute, eilte jedoch nicht sofort zu Hilfe. „Warum haben Sie nicht die Rettung gerufen?“, wollte Richter Roman Weiss wissen. „Das war der größte Fehler meines Lebens“, antwortete der 26-Jährige. „Ich habe gedacht, es ist nur eine Blutung“, rechtfertigte er sich. Er ging von einer Fehlgeburt ganz am Anfang einer Schwangerschaft aus.

Der Christ und die Muslima, die sich 2016 kennenlernten, mussten ihre Beziehung aufgrund ihrer Religion vor ihren Eltern geheim halten. „Das hätten sie nicht akzeptiert“, betont der Angeklagte vor Gericht. Einzig der Bruder der Hauptangeklagten wusste davon.

Unter dem Stress der Entbindung dürfte die Frau dann das Baby getötet haben. Die Obduktion ergab, dass dem Baby mit einer Schere 15 Stiche im Halsbereich zugefügt wurden, zudem wurde das Neugeborene mit einem Geschenkband stranguliert, auch stumpfe Gewaltausübung am Kopf des Babys wurde festgestellt. Bei der Polizeieinvernahme sagte die 29-Jährige: „Ich habe das alleine gemacht, ich war überfordert. Das Kind hat auch nicht geschrien, als ich die Nabelschnur durchgeschnitten habe. Als es nicht auf mich reagiert hat, habe ich zugestochen. Ich weiß nicht mehr, wieso ich das getan habe.“ Das Baby verstarb drei bis vier Stunden nach der Geburt. Erinnern könne sich die Angeklagte nicht mehr, auch nicht daran, Fotos an ihren Partner geschickt zu haben.

Rettung verständigt

Erst am Tag danach, als er zuvor noch zum Fußballtraining gegangen war, reagierte der Kindsvater: Die Schwägerin der damals 27-Jährigen war gekommen, weil der Freund den Bruder der Frau angerufen hatte. Nachdem doch noch die Rettung verständigt worden war, versuchte die Drittangeklagte, das tote Baby, die Plazenta und blutige Kleidung in Müllsäcken verschwinden zu lassen. Doch ein Rettungssanitäter kehrte unerwartet in die Wohnung zurück und nahm der Frau die Plastiksäcke ab. Sie muss sich daher auch wegen Störung der Totenruhe verantworten.

Die Kindsmutter wurde ins Krankenhaus gebracht, erinnern könne sie sich daran aber nicht mehr, sagt sie: „Ich habe nur einen Hubschrauber gehört und bin in einem OP-Saal aufgewacht.“ Der Sachverständige der Frau spricht von einem hohen Blutverlust – 1,5 bis 2 Liter sollen es gewesen sein. „Die Zurechnung zum Tatzeitpunkt war weitestgehend eingeschränkt“, sagt er, auch weil die Geburt ein traumatisches Erlebnis war. Die Notärztin, die zum Einsatz alarmiert wurde und den Tod des Säuglings feststellte, spricht unterdessen von ein bis 1,5 Litern Blutverlust, dieser hätte Bewusstseinsstörungen zur Folge gehabt.

Vater hat nichts bemerkt

Merkwürdig findet der Richter, dass der Vater der 29-Jährigen nichts von dem Vorfall mitbekommen haben will. Dieser befand sich zum Zeitpunkt der Geburt und der Tat mit der Frau in der Wohnung. Nach Hilfe habe die Angeklagte nicht gerufen, sagt sie, auch geschrien habe sie nicht: „Da hätte er mich gehört.“ Am nächsten Morgen verließ der Vater die Wohnung, um nach Wien zu fahren – seine Tochter soll nicht mitbekommen haben, dass er die Wohnung verließ. „Ich bin überzeugt, dass der Vater mehr weiß, als er sagt, aber die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen eingestellt“, so der Richter.

Noch vor der Befragung der Hauptangeklagten wurde die Schwägerin am Mittwoch wegen versuchter Unterdrückung von Beweismitteln und Störung der Totenruhe zu drei Monaten bedingt auf drei Jahre verurteilt (nicht rechtskräftig). Der Freund der Frau, dem unterlassene Hilfeleistung angelastet wurde, nahm das Angebot einer Diversion an – er muss eine Buße in der Höhe von 1500 Euro zahlen. Die Familie der Kindsmutter – sowohl ihr Vater als auch ihre Mutter und ihr Bruder – wollte vor Gericht nicht aussagen.