Es ist eigentlich ein Heimspiel, dieser Spaziergang durch die Schönaugasse. Noch immer zieht Paula energisch zum Haus Nummer 64, wo sie sich von einer Handvoll Hündchen zum Redaktionshund der Kleinen Zeitung mauserte. An der Adresse Schönaugasse 64 wurde über mehr als 100 Jahre steirische Mediengeschichte geschrieben, wurden Generationen von Journalisten geprägt, und eben die Paula.
Der Name erinnert an keinen Prominenten von einst, sondern einfach daran, wofür diese Gasse da war. „Sie führt in die schöne Au, in die Schönau an der Mur“, erzählt Stadthistoriker Karl Kubinzky. Nicht nur der Gang in die Natur machte diese Gasse bei den Grazerinnen und Grazern so beliebt, wie Kubinzky weiß: „Es war der Schönauwirt, der die Menschen anzog.“ Und die Gegend herum erfreute das Volk als Naherholungsgebiet, war bei feineren Herrschaften ein beliebter Austragungsort für Duelle und diente Landwirten als Weide für ihr Rindvieh. „Deshalb nannte man dieses Gebiet auch Kuhtratten“, wirft Kubinzky ein.
Heustadl- und Haynaugasse
Die Schönaugasse begann gleich am Platz vor dem Eisernen Tore, führte zum Grazbach, dort wo heute die Grazbachgasse ist, und über eine Brücke nach Süden in die Auen. Und weil sie die Stadt an ein damals ländliches Areal anband, hieß sie schon auch einmal Heustadlgasse. Und auch die heute oftmals diskutierte Änderung von Straßennamen kannte man damals schon. „Der stadtnahe Teil“, erläutert der Stadthistoriker, „hieß auch kurz Haynaugasse, nach einem verhassten kaiserlichen General benannt.“ Nun, dieser Julius von Haynau schlug 1849 die Revolution in Ungarn nieder und hielt ein blutiges Gericht über die Besiegten, ließ, wortbrüchig, die Anführer, darunter 13 Generäle, hinrichten. Die Bürger der Monarchie straften ihn dafür mit Verachtung und in Graz wurde die Haynaugasse wieder zur Schönaugasse. Haynau fand seine letzte Ruhestätte übrigens in Graz auf dem Leonhardfriedhof.
Die obere Schönaugasse vom Jakominiplatz erfuhr im auslaufenden 18. Jahrhundert bzw. zu Beginn des 19. eine am Anfang städtische Verbauung, mit stattlichen Gebäuden, die dann in flacher werdende, biedermeierliche Vorstadthäuschen übergingen. Zwischen Jakominiplatz und Grazbachgasse, einbegleitet damals vom bekannten Gasthaus „Zum scharfen Eck“, entwickelte sich eine geschäftige Strecke mit Läden und Lokalen, der Abschnitt danach bis zur Fröhlichgasse etablierte sich durchwegs als Wohngegend, mittlerweile stark modern geprägt.
Erhalten blieb noch immer das weitläufige Areal der ehemaligen Verkehrsbetriebe, heute Graz Linien genannt. Herausragend die Josefskirche, mit deren Bau 1903 begonnen wurde. Just zu der Zeit, als die Styria in der Schönaugasse 64 einzog. Das damalige Gebäude hatte Benedikt Albl 1898 für sein Fahrradwerk errichten lassen. Unter der Marke „Meteor“ stellten 24 Mitarbeiter der Graziosa Fahrradwerke Drahtesel her.
Styria produzierte Zeitungen in ehemaliger Fahrrad-Fabrik
1902 erwarb die Styria dieses Fabriksgebäude, das 1945 nach schweren Bombentreffern im Zweiten Weltkrieg wieder ausgebaut und in Folge mehrfach umgebaut wurde. Bis es, nach der Übersiedlung der Styria 2015 in den Neubau auf dem Gadollaplatz, eine neue Verwendung als Wohnhaus fand. Paula bleibt vor diesem Haus, in dem sie einen Gutteil ihrer Hundejugend verbrachte, noch immer gerne eine Weile stehen. Auch das Herrl, es war eine schöne Zeit in diesem Gebäude, in dem die alten Fußböden knarrten und vibrierten. Die Vergangenheit verleitet zur Verklärung. Nicht nur in der Schönaugasse.