Man mag die Bedeutung dieses 16. Grazer Stadtbezirks schon dadurch erahnen, dass sich die Straße, die seinen Namen trägt, selbstbewusst durch Eggenberg und Wetzelsdorf windet, um in das eigene Refugium zu geleiten. Nicht, dass diese Straße ein Schmuckstück wäre, Paula trottete eher gleichgültig durch, ohne besondere Schnüffeltätigkeit.

Doch erschließt einem diese Straße eine Gegend, die eigentlich gut für das gesamte Graz stehen kann: Eine lange, inhaltsschwere und breit gefächerte Geschichte, in die sich die Moderne einbettet, mit Unternehmen wie die Anker Datentechnik, die in den 70er-Jahren Registrierkassen fertigte, sowie heute die erfolgreiche Hightech-Firma Anton Paar, die feinste Messtechnik für den internationalen Markt entwickelt und produziert. Straßgang scheint immer über seine Grenzen hinaus gewirkt zu haben.

Das Ziel unserer Spaziergangs war diesmal Graz-Straßgang
Das Ziel unserer Spaziergangs war diesmal Graz-Straßgang © Jürgen Fuchs

Die Internationalität findet sich bereits im Anfang, wie Stadthistoriker Karl Kubinzky weiß: „Also der Name Straßgang leitet sich vom slawischen Straza ab, wie Warte oder Wachturm. Auf dem Florianiberg dürfte im vierten vorchristlichen Jahrhundert eine Siedlung existiert haben, in der Pfarrkirche auf dem Berg befinden sich römische Grabsteine von damals.“ Es war ein Kommen und Gehen: Das Gebiet wurde bairisch kolonialisiert, das Geschlecht der Aribonen übte die Herrschaft aus, danach die Erzbischöfe von Salzburg, die Straßgang schließlich dem Stift Admont (das ohnehin den Salzburgern gehörte) überantworteten.

Kaum erforscht: Die vielleicht älteste Kirche von Graz

Die auf dem Florianiberg errichteten Kirche „Maria im Elend“, um 1140 zu einer Pfarrkirche erhoben, machte Straßgang zu einem bedeutenden Wallfahrtsort, den auch die habsburgischen Herrscher sehr geschätzt und auch mit frommen Gaben bedacht haben sollen. Mit der spätgotischen Gnadenmutter im Hochaltar, die im Bezug auf die Schutzmantelmadonna im damaligen Pettauberg, dem slowenischen Wallfahrtsort Ptujska Gora stehen soll. Weil beide Kirchen seinerzeit dem gleichen Pfarrer unterstanden seien, heißt es. In Straßgang findet sich auch die vielleicht älteste Kirche in Graz, älter als die Lechkirche, die „privatisierte“ Rupertikirche. „Aber es gibt leider zu wenig Interesse, diese zu erforschen“, bedauert der Stadthistoriker.

Alte Postkarten-Ansicht von Straßgang
Alte Postkarten-Ansicht von Straßgang © Archiv Kubinzky

Zurück zur Geschichte des Bezirks, der 1850 noch eine kleine eigene Gemeinde war, mit den zusätzlichen Ortsteilen Webling und Hart. 1856 übersah in der Früh eine Bäuerin, dass sich das Fett beim Auslassen überhitzte und entzündete, die Flammen verbreiteten sich und bis am Abend war fast das ganze Dorf abgebrannt, erzählt Kubinzky. 1873 erhielt Straßgang eine eigene Station der Graz-Köflach-Bahn. 1872 wurde auf dem Gelände eines ehemaligen Gutshofes das Gebäude der „Landesirrenanstalt“, der heutigen „Sigmund Freud-Klinik“ fertiggestellt. In der Anstalt verbrachten und starben die letzten Blutsverwandten von Wolfgang Amadeus Mozart, Henriette und Bertha Forschter, die auf dem Zentralfriedhof ihre letzte Ruhestätte fanden.

1938 die Eingemeindung von Straßgang in Graz. „Geplant war, dass auch Pirka und Seiersberg zu Graz kommen, das wurde nicht realisiert“, merkt Kubinzky an. 1988 schließlich die Abtrennung von Puntigam, als nun eignener Bezirk.

Das Straßganger Bad
Das Straßganger Bad © Richard Großschädl

Auch nach dieser Abtrennung bleibt Straßgang genügend Bemerkenswertes. Wie das auf Graz blickende Schloss St. Martin, im Sommer ein Fixpunkt das großzügige Freibad. Ältere Grazerinnen und Grazer erinnern sich noch an „den Gottinger“, die gepflegte Diskothek samt Speiselokal in der Nähe des Bades.

Eine Feinheit von Straßgang bildet den würdigen Abschluss dieses Spazierganges – der Weinbau. Auf dem Kehlberg, wie manche wissen wollen, einst „Kleingrinzing“ genannt, wuchs ehemals sogar ein verträumtes Winzerdorf. Straßennamen zeugen noch davon: der „Winzerweg“ oder „Am Weinhang“. Mittlerweile setzten vor wenigen Jahren Bemühungen ein, den Weinbau auf dem Kehlberg neu zu kultivieren.

Mag der Weg nach Straßgang auch mühsam sein, er lohnt sich, wie der Blick zurück bestärkt, auf die erhabene, festungsartige Pfarrkirche, den Friedhof dahinter, auf das Schloss St. Martin. Da vergisst man fast die wuchernden Neubauten. Aber auch das macht einen Bezirk im Spannungsfeld Vergangenheit und Gegenwart aus. Ja, das ist Straßgang. Und Paula wedelt jetzt aufgeregt mit ihrem Schwaferl, hört sie das Wort Straßgang.

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