Man sieht schon, was da am Eck Jakominiplatz zur Gleisdorfer Gasse Neues entstanden ist. Nach nur knapp zwei Jahren Bauens steht das neue Dorotheum samt integriertem Hotel nun vor der Fertigstellung. Grund genug, die Schritte dorthin zu lenken. Wer sich noch an das Gebäude davor erinnert, kann sich darüber freuen, was jetzt da errichtet wurde. Es ist für den Jakominiplatz nahezu eine Zierde – auch für die Gasse, die unweit davon beginnt. Aber früher war es ja ganz anders.
Da begrüßten die Spaziergänger zur Gleisdorfer Gasse auf der linken Seite das 1907 pompös erbaute „Englische Haus“, das feine Textilhaus Kraft, auf der rechten Seite das imperial wirkende Hotelgebäude, das zuerst den Namen „Hotel Triest“ trug, dann zum „Steirerhof“ wurde. Auch wenn diese beiden Bauten der Adresse nach nicht zur Gleisdorfer Gasse gehörten, sie waren praktisch das prachtvolle Eingangstor in eine sonst recht schlichte Gasse. Die, überlieferten Gerüchten nach, auch für die eher schlichten Menschen der Grazer Bevölkerung gedacht war. Damit die Pöbel, hieß es damals angeblich, nicht über das Burgtor, also am Sitz des Statthalters, vorbeizieht, wurde die Gleisdorfer Gasse als Weg in den Osten der Steiermark errichtet.
Stadthistoriker Karl Kubinzky bestätigt, davon gehört zu haben, fand es aber nicht schriftlich in alten Schriften dokumentiert. Die Fakten schildert er so: „Die Gasse mit ihrem Namen ist jedenfalls darauf zurückzuführen, dass das Burgtor meist geschlossen war und man so den damals spärlichen Verkehr in Richtung Gleisdorf über das Eiserne Tor führte. Im 18. Jahrhundert nannte man sie auch Poststraße. Die alte Postkanzlei befand sich dort, wo dann 1790 der Gasthof zur Stadt Triest, der spätere Steirerhof, stand.“ Ursprünglich war diese Gasse Teil des Glacis vor der Stadtmauer. „Parallel mit der Anlage des Jakominiplatzes begann zwischen 1780 und 1800 in der Gleisdorfer Gasse die Verbauung“ erzählt Kubinzky, der auf die noch wenig erhalten gebliebenen Häuser der Bebauungszeit verweist: „Zumeist zweigeschossig, aber reizend, auf der anderen Seite die stillosen späteren Bauten.“
In den 60er-Jahren verlor das Portal der Gleisdorfer Gasse eines der beiden Schmuckstücke. Das nunmehrige Dorotheum erfuhr einen Umbau und verlor seine Zierde. „Von der Prunk-Jugendstil-Fassade zur Betonplattenhülle – man prämierte damals diesen Bau als den hässlichsten Neubau von Graz“, erinnert sich der Stadthistoriker. Das Ende des Steirerhofes, samt seinem legendären Bierstüberl – „in dem gab es nicht nur Bier, sondern auch schnelle, einfache Essen, und Studenten erhielten sogar Gratisessen“, ergänzt Kubinzky - besiegelte man 1989. Der Nachfolgebau passt dann wieder zum Mitte der 90er-Jahre umgestalteten Jakominiplatz. Wie immer man das bewerten will.
Gastlich empfahl sich die Gleisdorfer Gasse immer schon. Vorne am Eck die schon legendäre Gaststätte namens Brandhof. „Das Gebäude“, führt der Stadthistoriker aus „hatte schon einige Verwendungen, einst Sitz der Kammfabrik Straffinger, 1844 der Posthof des Rudolf Ritter von Kalchberg mit Stallungen, jetzt Restaurant und hinten ein Theaterlager und Sitz der Bühnen Graz.“ 1971 sollte das Haus samt seinem wunderbaren Gastgarten einem Möbelhaus weichen, ein Abbruchplan, der schließlich scheiterte.
Eine Diskothek schreibt Kriminalgeschichte
Gegenüber dem Brandhof, auf Nummer 21, lud das Delikatessen-Restaurant Raubal in seine Räume und die Terrasse im ersten Stock. Vor dem Haus Nummer 15 bleiben wir stehen. Auch an dieser Adresse wurde in den 1970er- und 1980er -Jahren ein Stück Gastlichkeit geschrieben, modernen Stils halt: In der Diskothek Mr. Bojangles, bevorzugt von jenen, die sich besonders schick fanden. Der Besitzer schrieb später mit einer österreichweit Aufsehen erregenden Entführung auch ein Stück Kriminalgeschichte.
Wir spazieren weiter und ich ertappe mich dabei, plötzlich den in den 70ern so populären Song „Mr. Bojangles“ zu pfeifen, die Version von Sammy Davis jr. war damals besonders beliebt. Paula unterbricht ihr Schnüffeln und schaut auf, ihr Blick ist irgendwie verwunderlich, das letzte „Mr. Bojangles“ schlucke ich hinunter.