Platz nehmen, die Schuhe und Socken ausziehen, mit denen man den ganzen Tag herumgelatscht ist, die nackten Füße in die Hände einer fremden Person legen, die vor einem kniet: Die Fußwaschung ist ein Ritual, das auf beiden Seiten Überwindung kostet. In Graz waren es am Gründonnerstag vier Geistliche aus der Evangelischen Kirche im Talar, die am Südtiroler Platz vor Passantinnen und Passanten sprichwörtlich auf die Knie gingen – so wie einst Jesus Christus vor seinen Jüngern wurden sie zu Dienerinnen und Dienern, übergossen die Füße mit warmem Wasser, wuschen sie (nur das Duftöl dazu dabei ist nicht biblisch verbrieft) und trockneten sie wieder ab.
„Die Fußwaschung ist ein ganz ausdrucksstarkes Symbol, für das es nicht viel Erklärung braucht“, sagt Sara Huber. Die Vikarin hat die Aktion in Graz für ihr Ausbildungsprojekt initiiert: „Wir waschen ganz einfach die Füße, und es ist schön, mit den Leuten dadurch ins Gespräch zu kommen.“ Zum Reden kommt man unweigerlich sofort. Im ersten Moment ist es vielleicht noch seltsam, ein eher intimes und oft recht schambehaftetes Körperteil wie die eigenen Füße von jemand waschen zu lassen – und das noch dazu ohne Bezahlung, wie etwa bei einer Pediküre. Schon bald fühlt sich die tief symbolbehaftete Wellnessbehandlung aber sehr angenehm an, vor allem, wenn das Gegenüber ein so offener und herzlicher Mensch ist, der auch deutlich macht, dass ihm dieses Ritual ein echtes Anliegen ist. Oben und unten, „Herrin“ oder „Dienerin“, das wird alles eins, Demut ist hier auf beiden Seiten zu spüren.
Hubers erste „Kundin“ war sogar eine Fußpflegerin: „Sie hat erzählt, dass sie seit 40 Jahren Menschen die Füße wäscht und hat sich sehr gefreut, dass es nun endlich einmal umgekehrt ist.“ Neben der Vikarin und den beiden evangelischen Pfarrern Marcus Hütter (Erlöserkirche Liebenau), Friedrich Eckhardt (Christuskirche Graz-Eggenberg) ist sogar Superintendent Wolfgang Rehner vor den Menschen auf die Knie gegangen. Überreden musste man ihn dafür nicht lange: „Diese dienende Haltung gehört für uns in der Kirche selbstverständlich dazu, sie ist aber so selten wahrnehmbar für die Menschen.“ Die Chance, damit in den öffentlichen Raum zu gehen, habe ihn gereizt. Das Schönste sei, ins Gespräch zu kommen „und eine andere Perspektive einzunehmen: Wenn ich von unten zur Person, die auf dem Stockerl sitzt, hinaufschaue, das gefällt mir.“ Gleich die ersten Füße, die der Chef der Evangelischen Kirche in der Steiermark gewaschen hat, gehörten einem wohnungslosen Rumänen, und weitere sollten bald folgen: „Dass sich Menschen vom Rand der Gesellschaft so problemlos ansprechen lassen haben, hat mich sehr gefreut – das waren ganz tolle Gespräche.“
Die höchst ungewohnte Situation löst auf beiden Seiten etwas aus, das bestätigt auch Ernst Burger aus Graz, der sich am Südtiroler Platz die Füße waschen ließ: „Es ist ein unbeschreiblich berührendes Gefühl.“ Er sei auch positiv überrascht, dass das bei uns auch öffentlich gemacht werde. Auch Vikarin Huber sagt, es sei „total berührend“ gewesen, fremden Menschen die Füße zu waschen: „Mein Herz ist schon jetzt ganz voll mit tollen Geschichten, das lässt mein Herz überquellen. Es sind Menschen aus ganz armen Verhältnissen gekommen und auch aus gutem Hause, das ist gerade das Schöne, dass es ein so riesiges Repertoire an Menschen ist, denen wir heute begegnen durften“.