Wäre nicht Richard Lugner auch 2020 – als Corona die Welt und ein Lockdown unser Land im Griff hatte – über die Weihnachtsfeiertage auf die Malediven geflogen, gäbe es diesen Rechtsstreit vielleicht gar nicht. Aber so könnte der, auch medial notierte Lugner-Trip, den Ärger eines Arztes aus dem Raum Graz über seinen geplatzten Urlaub noch entscheidend angeheizt haben.
Während der Baumeister nämlich in die Ferne fliegen konnte, hat der deutsche Reiseveranstalter dem Grazer Arzt und seiner Frau nämlich den Silvester-Abstecher auf die Trauminsel im Dezember 2020 abgesagt. Der Grund: Das Außenministerium hatte eine Reisewarnung der höchsten Stufe ausgegeben, die Pandemie war Hintergrund fürs Storno der Pauschalreise. Der Veranstalter überwies dem Paar den Gesamtpreis von 8620 Euro zurück. Der Arzt hatte aber schon seinen Mitarbeitern freigegeben, die Praxis geschlossen und somit Schaden erlitten – auch durch die "entgangenen Urlaubsfreuden".
Der Mediziner fordert fast 22.000 Euro Schadenersatz
Der Grazer Anwalt Andreas Konrad (Kanzlei KSKP) hat den Veranstalter geklagt, um für seinen Mandanten die Schadenersatzansprüche von 21.821,82 Euro durchzusetzen. Er ist nun, was nicht alle Tage vorkommt, über den Instanzenweg beim Europäischen Gerichtshof gelandet: "Wir haben die ersten beiden Instanzen verloren. Aber der Oberste Gerichtshof hat die Causa an den EuGH weitergeleitet." Konkret geht es um die übergeordnete Frage, ob Reisewarnungen dafür ausreichen, dass Veranstalter auf Basis der EU-Pauschalreiserichtlinie Reisen ohne Schadenersatz absagen können.
Fällt die europäische Pauschalreiserichtlinie ganz?
"Mein Mandant hat erklärt, er würde das Risiko der Coronalage auf sich nehmen, das Ehepaar hatte auch eine Reiseversicherung", geht der Jurist davon aus, dass dem Arzt der Schadenersatz gebührt. Setzt er sich vor dem EuGH durch, hat das Folgen für Reiseveranstalter in ganz Europa. "Dann könnten auch alle andere Kunden, denen Trips wegen Reisewarnungen storniert worden sind, Schadenersatz geltend machen", sagt KSKP-Anwalt Nikolay Dimitrov. Für Konrad rührt die Causa auch an Grundsätzlicherem, das viele Corona-Debatten ausgelöst hat: "Es geht auch um die Frage, inwieweit der Staat in Freiheiten der Bürger, etwa die Reisefreiheit, eingreifen darf."
Lugner genoss Traumurlaub im sicheren Paradies
Im Dezember 2020 war es jedenfalls so, dass die Sieben-Tage-Inzidenz auf den Malediven deutlich geringer war als in Österreich. Man brauchte für die Reise überdies einen PCR-Test. Das Risiko sei überschau- und kalkulierbar gewesen. Lugner genoss seinen Traumurlaub auf den Malediven übrigens problemlos: "Das Personal musste ja im Hotel auf der Insel bleiben, durfte keinen Kontakt nach außen, auch nicht zur Familie haben." Das Urlaubsresort war also gleichsam eine paradiesisch-sichere Quarantäne-Station ohne Infizierte.
Bernd Hecke