Herr Kunasek, die FPÖ hat mit Parteiausschlüssen von vier Grazer Gemeindepolitikern in drei Tagen ihren Sitz in der Stadtregierung und ihren Klub mit drei Mandataren verspielt. Keiner der vier hat etwas mit dem Grazer FPÖ-Finanzskandal zu tun. Ist da der Schaden für die Partei nicht größer als der Nutzen?
MARIO KUNASEK: Wir müssen das letzte Jahr Revue passieren lassen. Erst war der Finanzskandal, in dem ja noch ermittelt wird. Das hat die Partei zerrüttet. Dann haben wir im März beim Parteitag versucht, durch eine Doppelspitze mit Claudia Schönbacher und Axel Kassegger Ruhe reinzubringen. Das ist gescheitert. Ich habe nun ein Jahr lang zugeschaut und gespürt, dass sich der Gemeinderatsklub immer weiter von der Partei entfernt. Zuletzt hat man Gemeinderat Roland Lohr aus dem Klub geworfen und trotz Auftrags des Landesparteivorstandes nicht wieder aufgenommen.
Der Klub führt ins Treffen, dass es bei Lohr, für den die Unschuldsvermutung gilt, nun auch eine Hausdurchsuchung gegeben hat. Man hatte das Vertrauen in ihn verloren.
Die Hausdurchsuchung kam nach Lohrs Klubausschluss. Da hätten sie mit uns das Gespräch suchen und eine Neubewertung machen können. Stattdessen agierte der Klub eigenmächtig. Auch andere unserer Beschlüsse hat man davor schon nicht umgesetzt. Die Entfernung ist immer größer geworden. Das ist wie in einer Beziehung: Besser ein Ende mit Schrecken ...
Die Verstoßenen wollen gegen ihre Ausschlüsse berufen ...
Da kann man Parteigerichten nicht vorgreifen. Aber ich denke, dass die einstimmigen Beschlüsse des Landesparteivorstandes halten werden.
Viele ätzen, die Aufdecker sind rausgeflogen. Hat Ihre FPÖ da etwas zu vertuschen?
So stellen es die Ausgeschlossenen dar. Wir haben im Vorjahr alles getan, um den Grazer Finanzskandal aufzuklären und arbeiten weiter voll mit der Staatsanwaltschaft zusammen.
Also waren die Ausschlüsse alternativlos?
Ja, auch wenn es sehr schmerzhaft war. Die Stadtpartei hatte ja schon vor der letzten Wahl strukturelle Schwächen, deshalb war ja auch das Wahlergebnis 2021 nicht sehr gut.
Welche?
Es fehlte unter dem damaligen Obmann Mario Eustacchio an Bürgernähe, man zeigte wenig Präsenz. Die Bezirksparteien waren in keinem guten Zustand. Das soll mit einem Neustart wieder aufgebaut werden.
Daran arbeitete die neue Obfrau ja eigenen Angaben zufolge gerade, bis der Ausschluss kam ...
Aber es gab keine Ruhe und diese wachsende Entfernung von der Partei. Die FPÖ hat in der Steiermark 9000 Mitglieder und 300 Gemeinderäte, die fragen sich die längste Zeit, was da in Graz los ist. Wir haben Gesamtverantwortung für die Partei, also mussten wir handeln.
Bis wann wird die Stadtpartei neu aufgestellt sein?
Wir werden Ende dieses oder Anfang des nächsten Jahres einen ordentlichen Parteitag abhalten und eine neue Führung wählen.
Ist der letzte Grazer FPÖ-Gemeinderat, Günter Wagner, der nächste Stadtparteiobmann?
Da muss ich erst mit ihm reden, ob er das überhaupt will. Es muss einer werden, der das will, kann und der von den Delegierten beim Parteitag eine Mehrheit bekommt.
Der Obmann Ihres blauen Grazer Ex-Klubs, Alexis Pascuttini, hat ein Gesprächsprotokoll verlesen, in dem Roland Lohr behauptet habe, dass Sie von fragwürdigen Geldflüssen der Stadtblauen zu FP-Vereinen gewusst haben. Ist das so?
Nein, ich habe vorher nicht einmal alle medial genannten Vereine gekannt. Von diesen Geldflüssen hatte ich keine Ahnung. Wer das behauptet, bekommt eine Verleumdungsklage.
Nach dem Geständnis des Grazer Ex-Klubdirektors und damaligen FPÖ-Finanzreferenten sah es zunächst so aus, als habe dieser allein 700.000 Euro der FP-Förderungen aus dem Steuertopf abgezweigt. Glauben Sie die Einzeltätertheorie?
Aufgrund der deutlich höheren Summen, die laut den Aufstellungen der Rechnungsprüfer „verschwunden“ sein sollen, kann man nicht ausschließen, dass da mehrere Personen beteiligt gewesen sind ...
Bernd Hecke