Der nach dem Schauspielhaus zweitälteste Theatersaal von Graz soll reaktiviert werden. Wenn es nach dem Wunsch zweier Theaterinitiativen geht, könnte jenes Theater, in dem der legendäre Schauspieler und Operettensänger Alexander Girardi (1815–1918) einst debütierte, schon ab kommendem Jahr wieder regelmäßig bespielt werden.
Das vom Architekten Carl Aichinger im Biedermeierstil mit korinthischen Holzsäulen und einer Empore entworfene Theater diente von 1859 bis zum Ersten Weltkrieg dem Grazer Gesellenverein als Spielstätte. Danach zog eine Tanzschule ein und behielt diese Funktion über ein Jahrhundert lang unter der Regie wechselnder Tanzschulbetreiber.
Die mittlerweile aufgelöste Grazer Theatergruppe t'eig mietete die verlassene Tanzschule im April 2018 für eine einzige Produktion, danach stand das kulturhistorisch bedeutsame Theater am Grazer Kaiser-Franz-Josef-Kai 50 vier Jahre lang leer.
Im Herbst 2021 beschlossen Alexander Kropsch vom theater quadrat und Peter Ulrich von der sozio-kulturellen Initiative aXe, das im Dornröschenschlaf schlummernde Biedermeiertheater wach zu küssen. Das theater quadrat führte im Mai als erstes seine Antikolonialismusperformance "Unter die Haut" im ehemaligen Gesellenvereinstheater auf. Im Sommer und im Herbst folgen die beiden aXe-Produktionen "Traum:A:Welt" und "Die Metamorphosen des Covid".
Renovierung und barrierefreier Umbau nötig
Wie es dann weitergeht, steht in den Sternen. Kropsch und Ulrich sind derzeit in Verhandlungen mit der Hausbesitzerin über einen längerfristigen Mietvertrag, der auch eine im dritten Stock des Hauses befindliche Wohnung als Backstagebereich umfassen würde. Um die Fixkosten stemmen zu können, sind die beiden auf der Suche nach Förderungen, wofür in erster Linie die Stadt Graz und das Land Steiermark in Frage kommen. Außerdem sind in dem Raum für eine professionelle Nutzung als Theater Renovierungsmaßnahmen und Adaptionen notwendig. Dazu gehören ein barrierefreier Zugang oder diverse veranstaltungspolizeilicher Auflagen. Unter anderem diesbezüglich wollen Kropsch und Ulrich auch mit dem Revitalisierungsfonds und dem Bundesdenkmalamt zusammenarbeiten.
Der zweigeschossige Biedermeier-Theatersaal im zweiten und dritten Stock des zum Teil aus dem 16. Jahrhundert stammenden Gebäudes unweit der Talstation der Grazer Schloßbergbahn steht unter Denkmalschutz. Beim Bundesdenkmalamt steht man der Initiative jedenfalls wohlwollend gegenüber: "Aus unserer Sicht spricht nichts dagegen. Es wäre sogar etwas Positives, wenn man den Raum wieder in seiner ursprünglichen Funktion nutzt", so der steirische Landeskonservator Christian Brugger auf Anfrage der APA. Der Girardi-Keller in der Leonhardstraße wird ja demnächst - auch als Würdigung an den Volksschauspieler - durch die Stadt Graz saniert.
Das sagte der Altstadtschützer zu Girardikeller und Theater
Wer soll das bezahlen?
Auch beim Kulturamt der Stadt Graz begrüßt man die gemeinsame Initiative von theater quadrat und aXe: "Der kooperative Zugang ist besonders spannend", findet Kulturamtsleiter Michael Grossmann, der auch bestätigt, dass man bereits mit den Theatermachern Gespräche führt. Grossmann wünscht sich jedenfalls, dass die Bemühungen der beiden Initiatoren, diverse finanzielle und genehmigungstechnische Stolpersteine aus dem Weg zu räumen, von Erfolg gekrönt sein werden: "Als Kulturamt haben wir natürlich eine große Freude, wenn dieser historisch bedeutsame Bau wieder im ursprünglichen Sinn verwendet wird." Die Stadt Graz hatte sich vor einigen Jahren bereits selbst für eine Nachnutzung der zugesperrten Tanzschule interessiert.
Kropsch und Ulrich wollen nun über die Sommermonate ein detailliertes Nutzungskonzept erstellen "Wir wollen den Raum kreativ nutzen. Für uns ist wichtig, dass es ein Begegnungsraum wird", erklärte Kropsch. Man wolle Altes und Neues vereinen, aber kein museales Theater.
Obwohl unter anderem die Frage des fehlenden Foyers im Gebäude noch nicht geklärt ist, schreiten die Vorbereitungen für den künftigen Theaterbetrieb bereits voran. So stellte etwa das "Next Liberty" der Initiative bereits eine für 150 Personen ausgelegte, ausrangierte Bestuhlung zur Verfügung.
Andreas Stangl (APA)