Dass man aus der Lockdown-Not eine Tugend machen kann, beweist das Grazer Theater im Bahnhof (TiB) mit seiner neuen Produktion "Unheimlich Online". Darin wird ein etabliertes Improvisationsformat geschickt an die Einschränkungen, aber auch an die Möglichkeiten des Kulturlebens im Internet angepasst. Am Sonntag lief die erste Ausgabe der aktuellen, fünften Staffel der "Serienjunkies" über die Displays und Bildschirme des Publikums.

"Unheimlich Online" findet im Rahmen eines Zoom-Meetings statt. Das Publikum ist zumeist stumm und unsichtbar zugegen. Pro Folge können drei Mitglieder des Publikums sich und ihre Wohnung dem Kreativteam des TiB zur Verfügung stellen. Das geht so: Zuerst interviewt Moderator und Zeremonienmeister Lorenz Kabas - souverän im Stil altmodischer TV-Erzähler - das "Opfer".

Das Improvisationsduo Jacob Banigan und Beatrix Brunschko erfindet dann auf Basis der gesammelten Informationen über die jeweilige Person und deren Wohnung eine eigene Parallelwelt-Geschichte im Stil der klassischen Fernsehserie "Twilight Zone". Ihre erzählerische Doppelconference halten Banigan und Brunschko auf Deutsch und Englisch gemischt ab.

An Fantasie mangelt es ihnen eindeutig nicht. So wird zum Beispiel das Wohnzimmer einer Pensionistin aus Mariatrost zum Schauplatz eines surrealen Ehedramas, in dem sich der Wunsch der Ehefrau, das Zentrum der Aufmerksamkeit ihres Mannes zu sein, zu einem unerwarteten Albtraum auswächst. Eine Grazer Studentin in Kiel gerät als Klimaforscherin in die große Sintflut und wird zum Fischwesen.

In der dritten und letzten Episode dieses Abends schlachten Banigan und Brunschko die Insekten-im-Ohr-Phobie einer Teilnehmerin gnadenlos aus und inszenieren ein vor Einfällen überbordendes Minidrama über die Tücken des Videogame-Junkietums. Dabei gehen sie mit beinahe kindlicher Unbefangenheit ans Werk und dürfen mitunter auch ein bisschen blutrünstig und grauslich werden.

Das entscheidende Element bleibt jedoch stets der Witz. Und davon kann man in Zeiten des Lockdowns und der Ungewissheit wohl nicht genug bekommen. Das mit an die 80 Teilnehmer und Teilnehmerinnen recht zahlreich zugeschaltete Publikum dankte mit einem - stummen - Applaus über die Webcams.