"Ich habe schlechte Nachrichten", sagte Srecko Horvat, Mitbegründer der Democracy in Europe-Bewegung DIEM25 am Beginn seiner Eröffnungsrede Donnerstagabend zum diesjährigen Elevate-Festival in Graz. "Europa bricht zusammen und wir leben immer noch, als ob nichts passiert". Dabei verwies er unter anderem auf die Flüchtlingskrise und den steten Vormarsch der Rechten in der westlichen Welt.

Der 33-jährige kroatische Autor und Linksaktivist zog am Donnerstag bei der Auftaktveranstaltung des zwölften Festivals für Musik, Kunst und politischen Diskurs einmal mehr Parallelen zwischen der heutigen Situation und jener vor rund 100 Jahren. "Deutschland hat Russland den Krieg erklärt. - Nachmittags Schwimmschule" zitierte er Franz Kafka, der diesen Satz am 2. August 1914 in sein Tagesbuch schrieb und attestiert der europäischen Gegenwartsbevölkerung dieselbe "mentale Blindheit" wie sie damals angesichts der absehbaren Katastrophe in weiten Teilen Europas herrschte.

Ähnlich alarmierend, aber mit einer Portion Optimismus äußerten sich Wikileaks-Topfrau Sarah Harrison, die aufgrund der aktuellen Entwicklung um die Person des Aufdecker-Plattform-Gründers Julian Assange nicht persönlich zu Elevate kommen konnte, sondern per Video-Stream live aus ihrer persönlichen Diaspora Berlin zugeschaltet werden musste, sowie der intellektuelle US-amerikanische Wortkünstler und Musiker Saul Williams.

Sarah Harrison
Sarah Harrison © APA

Harrison ermahnte die Anwesenden, die Homepage von Wikileaks in der nächsten Zeit besonders im Auge zu behalten und deutete an, dass dort weitere beunruhigende Dokumente über das internationale Agieren der US-Behörden veröffentlicht werden könnten, die mit der jüngsten Druckverstärkung der USA auf Assange zu tun haben.

Wie verschiedene andere Medien schon berichteten, soll offenbar versucht werden, Assange über eine vom US-Geheimdienst kontrollierte Scheinfirma als Pädophilen und von Moskau bezahlten Verräter hinzustellen. Wikileaks hatte in den vergangenen Wochen begonnen, Tausende kompromittierender E-Mails von Hillary Clintons Wahlkampfmanager John Podesta zu veröffentlichen und will sich durch den gewachsenen Druck der USA nicht abhalten lassen, damit fortzufahren.

Saul Williams
Saul Williams © Sabine Hoffmann

Williams, der im folgenden Musikteil der Festival-Eröffnung auch eine Performance ablieferte, brach ebenfalls eine Lanze für Wikileaks und andere, von den USA verfolgte "Whistleblower" wie Edward Snowden und Chelsea Manning. Es gelte in der derzeitigen Situation, "strategisch" zu denken und konsequent auf die Freilassung Mannings aus dem Gefängnis hinzuwirken.

An den kommenden Tagen finden im Forum Stadtpark zahlreiche Diskussionsveranstaltungen zu brandaktuellen Themen wie Flüchtlingskrise, Netzpolitik oder Demokratie in Europa statt. Der Eintritt zu diesen Diskussionen ist durchwegs frei. Das Musikprogramm des Elevate-Festivals, das erstmals als Teil des dreijährigen Projekts "We are Europe" in Koordination mit anderen zukunftsorientierten Festivals in Europa abläuft, findet an mehreren Orten statt.