Es ist eine Zahl, die auf den ersten Blick optimistisch stimmt: Die Statistik Austria hat kürzlich vorgelegt, wie es um die sogenannten Aktivbeschäftigten bestellt ist. 203.995 gab es im 2023 in Graz. Der Wert lag damit über jenem von 2022 und zum zweiten Mal über 200.000. Was er aussagt: So viele Beschäftigungsverhältnisse über der Geringfügigkeitsgrenze gab es in diesen Jahren in Graz. Von 2022 auf 2023 stieg also die absolute Anzahl der Jobs, denen Grazer nachgingen.

Arbeitslosigkeit gestiegen

Blickt man nach dem ersten Halbjahr 2024 genauer auf den Arbeitsmarkt in der Landeshauptstadt und im Umland, gibt es allerdings wenig Grund zur Freude. „Teuerung, Inflation, die Auftragssituation am globalen Markt, hohe Kreditzinsen, der Ukrainekrieg, das sorgt alles dafür, dass es schwierig ist und bleibt“, erklärt Christian Namor, Leiter des AMS Graz West und Umgebung. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023 ist die Zahl der arbeitslos gemeldeten Personen in der Region im ersten Halbjahr 2024 quer über alle Branchen um 14,6 Prozent gestiegen. Die Arbeitslosenquote betrug im Mai im Arbeitsmarktbezirk Graz, zu dem auch das Umland zählt, 7,5 Prozent. Zahlen für Juni gibt es noch nicht. Ein ähnliches Bild zeigt sich in den anderen Bezirken. Leicht zurückgegangen ist die Zahl der Arbeitslosen in dem Vergleichszeitraum nur in Bruck/Mur und in Liezen.

Jobabbau auch bei Leitbetrieben und Lichtblicke

„In der Baubranche ist die Auftragslage nach wie vor schlecht, dort fällt die Steigerung in Graz und Umgebung mit 18,5 Prozent besonders deutlicher aus“, unterstreicht Namor. Auch die Industrie in der Region kämpft mit hohen Energie- und Personalkosten und schlechter Auftragslage. Magna hat Ende April den Abbau von 500 Stellen verkündet, 450 hatte man schon im Dezember 2023 gestrichen. Der Technologiekonzern AVL List sparte kürzlich 130 Stellen ein. Unter den Lichtblicken, die es trotzdem in der Region gibt: ams-Osram plant den Ausbau des Standorts Premstätten, 250 neue Jobs hat man angekündigt. Der Chipspezialist NXP in Gratkorn hat gerade ein neues Firmengebäude eröffnet und weitere Ausbaupläne verkündet, Siemens Mobilty berichtet gar von einem „Rekordjahr“.

Weniger offene Stellen

Die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle ist in den letzten Monaten allerdings schwerer geworden. Quer über alle Branchen ist die Zahl der offenen Stellen in der Region im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023 im ersten Halbjahr 2024 um 24,2 Prozent zurückgegangen. In der Baubranche beträgt das Minus gar rund 33,6 Prozent. Aktuell sind 4951 offene Stellen in den Bezirken Graz und Umgebung gemeldet. Eine gute Nachricht: 3000 bis 3500 Menschen in Graz und Umgebung können jeden Monat feiern, dass ihre Arbeitslosigkeit ein Ende hat und sie einen neuen Job antreten.

Keine Entspannung

Wird es in der zweiten Jahreshälfte mehr Grund zum Feiern geben? „Die Aussichten für die nächsten Monate sind nicht gut. Das Wirtschaftswachstum ist zu gering, wir gehen davon aus, dass sich die Lage eher verschlechtern wird“, befürchtet Namor. Eine ähnliche Prognose hatte kürzlich auch AMS-Steiermark-Chef Karl Heinz Snobe abgegeben. „Die Lage am steirischen Arbeitsmarkt wird sich weiter nicht spürbar entspannen“, hielt er fest. „Aus- und Weiterbildung hilft, nachhaltig im Job zu bleiben“, unterstreicht Namor in dem Zusammenhang und im Hinblick auf eine weitere Zahl: Fast jeder zweite Arbeitslose hat nur die Pflichtschule absolviert, aber keine Lehre gemacht oder eine weiterführende Bildungsinstitution besucht. „Bei aller Krise muss man auch sehen, dass viele Firmen händeringend nach Fachkräften suchen. Nachdem viele in den nächsten fünf bis zehn Jahren in Pension gehen, wird das auch so bleiben“, so der Experte.

Christian Namor
Christian Namor © AMS