Der „Büchersegler“ ist in Seenot geraten: Aus dem Verkauf der Bücher würden sich die immer weiter steigenden monatlichen Fixkosten und Lieferantenrechnungen nicht mehr finanzieren lassen. „Und das trotz der besten und treuesten Kundschaft, die es gibt. Und die wir haben“, funkte die Buchhandlung am Mariahilferplatz ein S.O.S. über die sozialen Medien. Nicht zuletzt aufgrund des treuen Kundenstocks ist Kapitänin Beatrice Baumann, die das Geschäft mit Fokus auf handverlesene Belletristik und Kinderbücher vor 14 Jahren eröffnet hat, fest entschlossen, es zu retten. „Wir ändern unser Sortiment etwas und bekommen bald eine Lieferung an sehr schönen Papierwaren – mein Herz schlägt ohnehin für Papier, da passt das gut“, sagt die Inhaberin. Was ihr aber wichtig ist: „Man soll nach wie vor ganz klar erkennen, dass wir eine Buchhandlung sind.“ Die Auswahl der Bücher wird verändert, es wird etwa weniger Kochbücher, dafür mehr Lesestoff geben. Und: In Kürze soll auch ein Crowdfunding, bei dem es besondere Karten & Co. als Dankeschön geben wird, dabei helfen, die Buchhandlung wieder in ruhigere See zu bringen.

BookTok als neue Hoffnung, zumindest kurzfristig

Papierwaren und Geschenkartikel in den Regalen von Buchhandlungen, dieser Anblick ist schon längst ein vertrauter geworden. „Da sind die Margen einfach höher“, gibt Baumann Auskunft. „Ohne das geht es gar nicht mehr“, sagt auch Sandra Wild, die Leiterin der Buchhandlung Moser – aber nicht, ohne zu betonen: „Das andere Angebot ist bei uns aber zugleich nicht kleiner geworden.“ Man leistet sich nach wie vor Spezial- und Fachliteraturabteilungen zu Themen wie Theologie und Recht. „Bringen tut das natürlich nicht viel“, so Wild. Die 1868 (!) gegründete Buchhandlung ist mit Abstand die größte in Graz und im Besitz der Morawa-Gruppe, ein Familienunternehmen mit Sitz in Wien, das österreichweit 800 Mitarbeiter beschäftigt. Neben Büchern ist mittlerweile auch die neue Vinyl-Abteilung gut angelaufen. „Da kaufen durchaus auch viele junge Leute ein“, ist Wild zufrieden. Der Bereich Comics, Graphic Novels und Mangas, der zuletzt groß ausgebaut wurde, stagniere zugleich aber. Dafür gibt es aber einen neuen Trend, der der Buchhändlerin Hoffnung gibt: Der Trend Booktok, also das Empfehlen von Büchern in Kurzvideos auf der Plattform TikTok, und der dabei besonders beliebte Bereich „Young Adult“, meist englischsprachige Literatur für junge Leserinnen und Leser, erlebe einen regelrechten Boom – und zwar mit Büchern in gedruckter Form. Ob der Trend ein langfristiger wird, wird sich allerdings erst weisen.

Sandra Wild ist Leiterin bei der Buchhandlung Moser in Graz
Sandra Wild ist Leiterin bei der Buchhandlung Moser in Graz © Jürgen Fuchs

Insgesamt sei aber die Lage „nicht unbedingt rosig“, formuliert es Wild. „Die Betriebe stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagte der auch der WKO-Obmann für den Fachverband Buch- und Medienwirtschaft, Friedrich Hinterschweiger, heuer im Frühling zur Kleinen Zeitung. Dafür würden Faktoren wie die „massive Verteuerung von Papier, Energie und Transport, hohe Personalkosten und die problematische Preisgestaltung“ sorgen. Schon in den ersten beiden Monaten des Jahres 2024 hat der Rückgang an Gewerbeberechtigungen für den Buchhandel bereits ein Prozent betragen. In und um Graz gibt es für eine Stadt dieser Größe wenige Buchgeschäfte, vor allem unabhängige: Neben den Morawa-Buchhandlungen Moser, im Citypark und in Seiersberg, zwei Filialen der deutschen Kette Thalia (Murpark, Shopping Nord) sowie Press & Books des Schweizer Valora-Konzerns, wäre das der Bücher Wolf, die Bücherstube, der Unibuchladen, die Esoterik-Buchhandlung Avalon mit einem Angebot von Tarotkarten bis Astrologie-Service und die katholische Fachbuchhandlung Gratia. „Im Jahr 1995 waren es noch 14“, sagt Wild.

Wolfgang Wagner alias Bücher Wolf
Wolfgang Wagner alias Bücher Wolf © Robert Preis

„Für mich geht es sich noch aus, weil ich alleine im Geschäft stehe und so keine Personalkosten zu tragen habe“, sagt Wolfgang Wagner, der den „Bücher Wolf“ in der Jakoministraße betreibt. Preislich und im Service könne er so mit dem Versandbuchhandel nicht konkurrieren und auch selbst keinen Onlineshop betreiben, dafür könne er aber eine gute Beratung und ein gut sortiertes Angebot mit vielen besonders hochwertig gestalteten Büchern anbieten. Dass es sehr schwierig sei, habe auch mit der Digitalisierung zu tun, mit eBooks könnten kleine Buchhandlungen keinen Handel treiben. „Da tun sich im Vergleich Plattengeschäfte wie In and Out Records doch leichter, der Mythos von Vinyl hat einfach mehr Kraft als der eines Buchs.“ Aber auch die Baustellen hätten den Innenstadthandel insgesamt vor Probleme gestellt, was auch Sandra Wild von Moser bestätigt. „Viele Kunden von auswärts kommen entweder nicht mehr, weil die Parkgarage zu teuer ist oder wollen nicht zu viel einkaufen, weil die Bücher zu schwer zu tragen sind ohne Auto.“

Von einer Senkung der Umsatzsteuer, wie sie Hinterschweiger im Frühling gefordert hat, würden sich die Buchhändlerinnen und -händler in Graz eher wenig erwarten. „Aber insgesamt ist ein Buch im Vergleich einfach zu billig“, befindet Wild. Die Buchpreisbindung, die Buchhandlungen eigentlich konkurrenzfähig halten soll, bedeutet nur, dass man den festen Preis nicht unterschreiten darf. „Aber viele Ketten schlagen da etwas drauf, das ist ein offenes Geheimnis“, sagt Wild. Mit einer Erhöhung der Preise hadert Büchersegler-Kapitänin Baumann noch. „Wenn man das dann auch noch intransparent macht, ist das kein guter Zug.“ Sie hofft, dass ihr Segler mithilfe der treuen Kundinnen und Kunden, dem Crowdfunding, dem neuen Konzept und vielleicht auch noch der einen oder anderen Lesung auf Kurs kommt. Eines sei jedenfalls für den stationären Buchhandel in Graz, aber auch anderswo, ganz wichtig: „Wir müssen alle zusammen gegen Amazon auftreten“, betont Wild.