Wie viele andere Jüdinnen und Juden holten die Nazis bei den Novemberpogromen 1938 auch den damaligen Grazer Oberrabbiner David Herzog nachts aus seiner Wohnung. Man misshandelte ihn auf offener Straße und drohte ihm wiederholt mit dem Tod. In einem Bericht schildert er die Übergriffe, bei denen er zu Fuß durch die Stadt gequält wurde, von seinem damaligen Wohnort in der Radetzkystraße 8 bis zum Griesplatz. Daraus hat die Künstlerin Catrin Bolt 2013 ein NS-Mahnmal geschaffen und den Text aus dem Bericht entlang der Strecke als „Lauftext“ auf den Boden aufgetragen. „Das Textband integriert sich optisch in den Stadtraum. Auch die beschriebenen Übergriffe sind ein Teil unserer Gesellschaft. Über den Inhalt und die Anbringung entlang alltäglicher Wege kann der öffentliche Raum abgesehen von seiner praktischen Nutzung auch in seiner politischen Dimension wahrgenommen werden“, beschreibt Bolt ihr Werk.

Dass das Kunstwerk bei den Arbeiten für den Bau der Innenstadtentlastungsstrecke beschädigt wurde, ließ sich nicht vermeiden. Nun wurde es aber wieder instandgesetzt und am Montag feierlich neu eröffnet. Das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark (Kiör) lud dazu mit der Jüdischen Gemeinde Graz und der Künstlerin zu einer gemeinsamen Begehung in Anwesenheit von politischen Vertreterinnen und Vertretern des Landes Steiermark und der Stadt Graz ein. Ausgehend vom damaligen Wohnort von David Herzog in der Radetzkystraße 8 ging man gemeinsam mit dem Nationalratsabgeordneten Josef Smolle, Stadtrat Robert Krotzer und Elisabeth Fiedler (Leiterin Kiör) den Lauftext bis zur feierlichen Wiedereröffnung in der Synagoge Graz ab. Das Denkmal fordere die Betrachterinnen und Betrachter, meint Fiedler: Diese könnten „real den Weg verfolgen, Sequenzen empfinden“, würden „unmittelbar und doch subtil berührt. Anhand eines Einzelschicksals wird hier die grauenvolle Dimension menschenverachtenden Massenwahns erkenn- und fühlbar.“ Es sei ein „Mahnmal, das uns in unserem Alltag überfällt“, beschrieb die aktuelle Grazer Stadtschreiberin Andrea Scrima das Kunstwerk.

Eine Broschüre mit dem gesamten Bericht von David Herzog und weiterführenden Texten von Heimo Halbrainer, Gerald Lamprecht und Cornelia Offergeld kann einer Box an der Hauswand Radetzkystraße 8 sowie weiteren Stationen entlang des Lauftext-Weges frei entnommen werden.