Es ist ein spannendes Stück Grazer Stadtgeschichte, das um ein Haar verloren gegangen wäre: Karl Ilbing hat als Architekt Spuren in Graz hinterlassen, bevor er 1934 nach Israel emigrierte. Im kollektiven Gedächtnis der Stadt war sein Name bis vor Kurzem allerdings kaum eine Fußnote. Das Buch „Karl Ilbing. Ein Architekt in Graz und Haifa“, das Antje Senarclens de Grancy herausgegeben hat, gibt nun detailreiche Einblicke in sein Leben und sein Werk. Gemeinsam mit TU-Kollegin Waltraud P. Indrist und dreißig Studierenden zeichnet sie auch für die gleichnamige Ausstellung verantwortlich, die Dienstagabend im Museum für Geschichte in der Grazer Sackstraße eröffnet wird.

Der Architekt Karl Ilbing
Der Architekt Karl Ilbing © Privat

Auf den Spuren des Großvaters

„Ich kannte Ilbings Namen ursprünglich nur aus einem nationalsozialistischen Boykottaufruf, der mir und Historikerin Heidrun Zettelbauer vor Jahren bei der Arbeit an einem Buch über jüdische Architekten untergekommen ist“, erinnert sich die Wissenschafterin. Dass sich die Nebel rund um die Lebensgeschichte des Architekten lichteten, ist seinem Enkel Michael Herman zu verdanken. Er hat sich jahrzehntelang darum bemühte, das Werk seines Großvaters bekannt zu machen. Schreiben an Grazer Kulturinstitutionen blieben lange Zeit unbeantwortet. Bis Herman vor zwei Jahren über das HDA bei Grancy landete.

Enkel machte Nachlass zugänglich

„Herman hat mir in Israel den gesamten Nachlass seines Großvaters zugänglich gemacht. Das Bildmaterial war ein unglaublicher Schatz“, erzählt die Architekturhistorikerin. In die weiteren Recherchen waren Studierende eingebunden. Man tauchte in das Stadt-, Landes- und TU-Archiv ab und förderte dort Pläne und Berichte von Ilbings Projekten und Details zu seinem Leben zutage. Auch die Kleine Zeitung durfte im Vorjahr bei der Aufklärung eines Rätsels mithelfen. Im Nachlass hatte die Wissenschafterin das Bild eines Hauses entdeckt, das sie in Graz vermutete. Nach einem Bericht in der Kleinen Zeitung meldeten sich die heutigen Besitzer der Villa in Mariatrost.

Die von Ilbig geplante Villa Löw wurde anhand des Bildes mithilfe der Kleinen Zeitung in Mariatrost ausgemacht
Die von Ilbig geplante Villa Löw wurde anhand des Bildes mithilfe der Kleinen Zeitung in Mariatrost ausgemacht © Privat

Die Villa, die gut erhalten ist, wird im Buch und in der Ausstellung beleuchtet. Weitere spannende Blitzlichter aus dem Schaffen Ilbings in Graz: Die Gestaltung des Schuhhauses Armin Spitz in der Herrengasse 1926/27 war der Auftakt für eine ganze Reihe von Geschäftsumbauten, die der Architekten übernahm. Er gestaltete das Bekleidungshaus Leo Lichtenstein in der Annenstraße, das Hornig-Stammgeschäft in der Sporgasse oder das Feinkostgeschäft Lanzeck in der Bergmanngasse. In St. Radegund baute er eine Villa in ein Sanatorium um, in Waltendorf plante er ein multifunktionales Kinogebäude für die „Schiller-Lichtspiele“. Was Grancy, Indrist und die Studierenden alles herausgefunden haben und wie sie es aufbereitet haben, wird am Dienstag auch ein ganz besonderer Gast in Augenschein nehmen. Michael Herman, der Enkel des Architekten, reist zur Eröffnung der Ausstellung mit seiner Familie aus Israel an.

Das Buch ist im TU-Verlag erschienen. Es ist im Museum für Geschichte und im Buchhandel erhältlich: