Zum vierten Mal brütet das Grazer Wanderfalkenpärchen Inge und Ivica heuer am Turm der Herz-Jesu-Kirche. Mitte April schlüpften vier Jungvögel in der Nistnische, die der Grazer Ornithologe, Fotograf und Filmemacher Lenader Khil dort eingerichtet hat. Vogelfreunde waren quasi live im Kreißsaal. Erstmals liefert eine Kamera ja heuer rund um die Uhr Live-Bilder aus der Kinderstube des Wanderfalkenpaars Inge und Ivica. Die wuscheligen, weißen Küken sind mittlerweile herangewachsen und tragen wie ihre Eltern bereits ein dunkelbraunes Gefieder. Zu Gesicht bekommt man die Heranwachsenden per Webcam allerdings nur noch selten.

Ausbildung zum „Flugjäger“

Das liegt daran, dass die Jungtiere mittlerweile auch an anderen Stellen des Turms rasten und bereits kilometerlange Ausflüge in die Umgebung unternehmen. „Sie werden von ihren Eltern gerade zu leistungsfähigen Flugjägern ausgebildet“, erzählt Khil. Sollen die Jungtiere später einmal nicht verhungern, müssen sie in der Lage sein, ihre fliegende Beute in der Luft abzufangen. In Graz ernähren sich die Wanderfalken großteils von Tauben, zwei bis drei der Tiere schlagen erwachsene Vögel am Tag. „Eine spannende Lehrstunde gab es kürzlich, als Inge eine Taube mit ins Nest brachte“, erzählt Khil. Die gesamte Wanderfalkenfamilie fand sich dort zum gemeinsamen Mahl ein. Wer per Webcam dabei war, konnte sich ein Bild davon machen.

119.000 Zugriffe auf den Livestream

Möglich gemacht haben diese Live-Einblicke der Grazer Unternehmer Wolfgang Reinisch und der Verein Funkfeuer. „Ich bin schon ein Naturfreund, aber mich hat vor allem die technische Herausforderung gereizt“, erzählt Reinisch, der unter anderem als Spezialist für die Installation von Webcams gilt. Eine leistungsfähige Glasfaserverbindung ist im höchsten Kirchturm der Steiermark keine Option. Übertragen werden die Daten über das Richtfunknetzwerk, das der Verein zur Verfügung stellt. Damit die Kamera ohne Pause läuft, musste eigens eine Stromleitung im Turm verlegt werden. Rund 119.000 Zugriffe wurden bis jetzt auf den Livestream registriert. Als die frischgeschlüpften Küken sich noch durchgängig im Nest aufhielten, schauten täglich mehrere tausend Besucher vorbei. Rund zehn Minuten fesselte der Livestream die Zuschauer im Durchschnitt.

„Auszug“ noch im Sommer

„Es hat sich eine richtige Community entwickelt“, freut sich Khil. Als die Küken anfingen auszufliegen, meldeten sich besorgte Zuseher, die eines der Tiere in der Nistnische vermissten. Als eines der Jungtiere, dem Khil den Namen Ilia gegeben hatte, am Boden landete, brachten beherzte Tierfreunde den Bruchpiloten zu „Kleine Wildtiere in großer Not“. Zwei Tage später konnte der nicht ernsthaft verletzte Jungvogel wieder in das Turmzimmer der Falken einziehen. Wie lange man Ilia, Ilvie, Ina und Igor noch per Webcam beobachten kann, ist offen. Im Lauf des Sommers werden sie die elterliche „Wohnung“ endgültig verlassen wie schon der Nachwuchs der letzten drei Jahre. Zum Brüten nach Graz zurück gekehrt ist bisher noch keines der hier geborenen Jungtiere.