Sie sind als freiwillige Sanitäter beim Roten Kreuz im Einsatz, halten beim Nachtdienst im Vinzidorf die Stellung und engagieren sich im Pfarrgemeinderat oder Elternverein. Vier von zehn Grazerinnen und Grazern sind in irgendeiner Form ehrenamtlich tätig. Helfende Hände sind bei allen Institutionen gefragt, auch der Verein pro humanis ist aktuell auf der Suche nach neuen Unterstützern in Graz. Der Verein bildet freiwillige Sozialbegleiter aus, die Menschen mit psychischen Erkrankungen unterstützen – nachdem die Zahl der Betroffenen in den letzten Jahren stark gestiegen ist, sind die gefragt wie nie. 91 Sozialbegleiter sind aktuell allein in Graz tätig, steiermarkweit sind es rund 300. Auf der Warteliste stehen in Graz derzeit 38 Menschen, die sich eine Sozialbegleitung wünschen würden.
An den Rand gedrängt
„Personen mit psychischen Erkrankungen werden oft an den Rand gedrängt. Man vergisst auf sie, besonders wenn sie alt sind“, meint Nicole Adzaga. Sie ist mit 21 Jahren die jüngste Ehrenamtliche, die sich bei pro humanis engagiert. „Es ist einfach schön, für jemanden da zu sein“, ist sie überzeugt und belässt es nicht nur bei salbungsvollen Worten. Neben ihrem Soziologiestudium arbeitet die Grazerin als Schulassistentin und unterstützt Kinder mit Beeinträchtigungen bei der Bewältigung des Schulalltags. Sport, Zeit mit ihrem Bruder verbringen und Freunde treffen stehen dann in der Freizeit auf dem Programm – und einmal in der Woche ein Treffen mit einem Menschen, dem sie als ehrenamtliche Sozialbegleiterin zur Seite steht.
Ein offenes Ohr
Welches psychische Problem ihr Gegenüber mit sich herumträgt, darüber spricht Adzaga natürlich nicht. „Vieles, von den Lebensgeschichten, die mir anvertraut werden, ist allerdings unvorstellbar“, räumt die 21-Jährige ein. Wie steckt man gerade als junger Mensch weg, was da auf einen einprasselt? „Es gibt am Anfang eine recht umfangreiche Schulung, wo man zum Beispiel lernt, wie man mit Menschen mit Depressionen umgeht. Und ich kann diese Geschichten gut hinter mir lassen, wenn ich nach Hause gehe“, erzählt sie. Bei den Treffen hat sie ein offenes Ohr für ihr Gegenüber, gemeinsam unternimmt man Spaziergänge und spielt Uno oder Monopoly. „Schnapsen habe ich allerdings erst lernen müssen“, erzählt die fröhliche junge Frau lachend.
Auch mit 86 Jahren noch ehrenamtlich tätig
Wolfgang Gollinger trennen mehr als sechs Lebensjahrzehnte von Nicole Adzaga. Was den 86-Jährigen quer über die Generationen mit der jungen Frau verbindet, ist der Wunsch, sich im sozialen Bereich zu engagieren. Nach seiner Pensionierung vor 25 Jahren hat der Physiker in einem Flüchtlingsheim der Caritas mitangepackt und bei Isop Kindern und Jugendlichen Mathematik näher gebracht. Seit 2005 ist er bei pro humanis mit an Bord und heute der älteste Ehrenamtliche, der sich dort engagiert. Manche Menschen hat er nur wenige Monate begleitet, andere mehr als ein Jahrzehnt. „Man findet nicht zu jedem einen Zugang“, räumt der Pensionist ein. Passt die Chemie, nimmt er sich einmal in der Woche Zeit für einen Spaziergang, einen gemeinsamen Kaffeehausbesuch oder einfach ein Gespräch. Den Anspruch, das Gegenüber therapieren oder verändern zu wollen, gibt es dabei nicht.
Kein Opfer
Als „Opfer“ sieht Gollinger sein ehrenamtliches Engagement dabei nicht. „Man lernt zuzuhören, verstehen zu wollen, statt nur seine eigene Meinung loszuwerden. Das hilft einem dabei, verständnisvoller zu sein und mit seinen Mitmenschen generell besser zurechtzukommen“, ist Gollinger überzeugt.