Am Donnerstag ist im Grazer Straflandesgericht der Prozess gegen zwei mutmaßliche Jihadisten-Paare fortgesetzt worden. Am vierten Verhandlungstag ging es vor allem um das Schicksal der insgesamt acht Kinder. Die Eltern gingen mit ihnen ins Kriegsgebiet nach Syrien und sollen mit ihnen zusammen Gewalt-Videos der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) angeschaut haben.
Die vier Personen sind nicht nur wegen Teilnahme an einer terroristischen Vereinigung und krimineller Organisation angeklagt, sondern auch wegen des Quälens und Vernachlässigens von Unmündigen. Zunächst ging es am Donnerstag um die fünf Kinder von Enes S. (38) und seiner Partnerin Michaela S. (39). Die Familie ging im Dezember 2014 nach Syrien, wo sich sogar die kleinen Mädchen (das älteste Kind war damals elf Jahre) komplett verschleiern und Handschuhe tragen mussten. Laut Anklage sollen die Kinder per Video und auch live mit Hinrichtungen konfrontiert worden sein.
Kinder in guter Verfassung
Als sich das Leben in Syrien als weniger idyllisch als erhofft herausstellte, floh die Familie im Jänner 2016 in die Türkei und wurde dann nach Österreich abgeschoben und hier verhaftet. Die fünf Kinder wurden zunächst bei Pflegefamilien untergebracht. Als Zeugin kam die Schwester des Vaters, die in Vorarlberg lebt und mit den Kindern viel Kontakt hatte. "Sie sind in sehr guter psychischer Verfassung", meinte die gelernte Erzieherin. "Die Kinder haben ein gutes Leben, aber man merkt schon, wie sehr ihnen die Eltern fehlen", führte die Zeugin weiter aus. Negatives über das Leben in Syrien "habe ich von den Kindern nie gehört."
Anschließend kam ein Vertreter des Jugendamtes zu Wort: "Bisher waren psychologische Maßnahme nicht nötig", bestätigte er die Angaben der vorigen Zeugin. "Das Auffällige an den Kindern ist, das sie nicht auffällig sind", meinte er. "Worauf führen Sie das zurück?", fragte einer der Verteidiger. "Dass sie auch immer wieder Positives erlebt haben", meinte der Befragte. Die Kinder hätten nie etwas Negatives über die Eltern erzählt. Auf Nachfrage des Staatsanwalts gab der Jugendamt-Vertreter aber an, dass es in seiner 20-jährigen Berufstätigkeit das erste Mal gewesen sei, "dass Eltern mit Kindern in ein Kriegsgebiet ziehen."
Kind sah bei Hinrichtung zu
Den Videos von den Aussagen der Kinder ist der Nachmittag gewidmet. Der damals siebenjährige Sohn der Erstangeklagte erzählt vom brutalen Alltag in Raqqa: „Ich bin von der Moschee heimgegangen. Da hat man einen PKK eingefangen. Und da hab ich dann genau gesehen, wie man ihn geschlachtet hat.“ Er erinnert sich an alles – vom Freiwilligen mit dem Messer, vom Flehen um „noch eine Minute!“, bis zum Abschneiden des Kopfes, der auf den Rücken des Toten gesetzt wurde. „Und dann bringen sie ihn auf den Müll.“
Dass sein Vater selbst jemanden getötet haben soll, weiß er nicht, aber er habe „die Neuen“ trainiert, die dann als „Sniper“ kämpften. Mit den Eltern habe er schon auch Videos geschaut, aber „wenn es zu eklig wurde, habe ich schon weggeschaut“. Das Urteil soll am Freitag fallen.