Frau Klasnic, zehn Jahre sind nun seit dem Grubenunglück in Lassing vergangen. Was ist für Sie von diesem wochenlangen Ausnahmezustand geblieben?
WALTRAUD KLASNIC: Auf der einen Seite Erfahrung und die Dankbarkeit, dass Georg Hainzl lebt, auf der anderen Seite die sehr harte, für die Angehörigen besonders schwere Schicksalssituation. Das lässt sich nicht vergessen, aber man muss lernen, damit umzugehen. Es waren Angehörige und Kinder da, die versorgt werden mussten, der Mensch muss weiterbestehen. Die Angehörigen haben da viel mehr zu tragen.

Sie haben am Abend jenes 17. Juli ein Bankett verlassen, an dem mehrere europäische Minister, unter anderem auch Angela Merkel, teilgenommen hatten, und sind nach Lassing gefahren.
KLASNIC: Das war für mich selbstverständlich. Wo man zu Hause ist und Verantwortung übernehmen darf, hat man in guten, aber vor allem in schwierigen Stunden dort zu sein, wo die Menschen einen brauchen. Ich bin aufgestanden, nach Hause gefahren und habe mich umgezogen. Es war dann wohl die schwerste Nacht meines Lebens.

Von Ihnen gibt es das Zitat, dieser Tag sei der bitterste Ihrer Amtszeit gewesen. Würden Sie das noch immer so beurteilen?
KLASNIC: Ich würde es sogar erweitern und sagen, es war die bitterste Zeit in meinem Leben. Wenn man Menschen verliert, tut das weh, aber wenn man diese Hilflosigkeit und Ohnmacht wahrnimmt, ist das ganz schlimm.

Formal lag die Macht ja bei der Bergbehörde und nicht bei Ihnen.
KLASNIC: Die Kompetenzen habe ich mir genommen. Die Ohnmacht ist dort, wo man helfen möchte und erkennen muss, dass Hilfe nicht mit Händen, Kopf und Worten möglich ist. In Lassing musste zuerst etwas organisiert werden, um Hilfe zu geben, es brauchte Geräte, Messungen und Entscheidungen. Und nebenbei musste den Angehörigen gesagt werden, sie brauchen Geduld und Hoffnung.

Da haben die offiziell Verantwortlichen in Lassing versagt.
KLASNIC: Man kann in diesen Stunden nicht nach dem Gesetz handeln oder nur nach dem Gesetz. Man muss jene Entscheidung treffen, von der man glaubt, es ist die richtige. Ich habe in der ersten Nacht den Angehörigen gesagt, sie müssen einander Stütze sein und nicht verzagen. Trotzdem wollte ich ihnen nicht die Hoffnung nehmen, weil ich sie da ja auch noch gehabt habe.

Sie waren von Beginn an die seelische Stütze für die betroffenen Familien - ungewöhnlich für einen Landeshauptmann?
KLASNIC: In meinem ganzen Leben galt für mich die Maxime: Zuerst bin ich Mensch und erst danach die Politikerin.