„Es gefällt mir hier einfach so gut – die Ruhe, die Natur.“ Khaled Adieb gerät – mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht – ins Schwärmen, wenn man ihn fragt, warum es ihn nach Gröbming gezogen hat. Der gebürtige Syrer betreibt dort seit rund eineinhalb Jahren seine Änderungsschneiderei „Das tapfere Schneiderlein“. Der Weg in die beschauliche Marktgemeinde im oberen Ennstal war allerdings alles andere als einfach.
Aber von Anfang an. Dass er Schneider werden möchte, das stand für Adieb schon früh fest. Mit 14 Jahren hat er die Ausbildung in seiner Heimat begonnen, sich drei Jahre später selbstständig gemacht. Nicht nur mit einer, sondern mit gleich zwei Schneidereien. Dann jedoch musste Adieb vor den Kriegswirren flüchten. Diese Flucht führte über die Türkei, dort „hat mein Job mich gerettet. Ich hätte sonst auf der Straße schlafen müssen“. Denn dank der Stelle als Schneider, die er gefunden hat, habe er sein Nachtlager unter seinem Arbeitsgerät, der Nähmaschine, aufschlagen können - und hatte so zumindest ein Dach über dem Kopf.
Mit 25 Jahren eine Lehre begonnen
Im November 2014 kam er dann nach Österreich, genauer nach Graz. Hier begann der Syrer im Alter von 25 Jahren noch einmal eine Schneiderlehre, weil seine Ausbildung hierzulande nicht anerkannt wurde und „auch die Technik eine ganz andere ist“. Und hier lernte er auch seine große Liebe, eine Ennstalerin, kennen. Beim Deutschunterricht, „sie war meine Lehrerin“.
Im Rahmen von Besuchen bei ihrer Familie kam der Syrer auch des Öfteren nach Gröbming. Schnell war für ihn klar, dass er im Ennstal leben möchte. „Meine Freundin wollte eigentlich in Graz bleiben, aber es ist mir gelungen, sie zu überzeugen“, freut sich Adieb.
Nach dem Umzug hat er bei in Gröbming und Rottenmann ansässigen Firmen gearbeitet. Mit beiden Jobs ist der leidenschaftliche Schneider allerdings nicht wirklich glücklich geworden. „Ich habe zu meiner Freundin dann gesagt, ich möchte eine Änderungsschneiderei aufmachen.“ Sie habe ihm davon abgeraten, immerhin habe man es als Selbstständiger nicht leicht. Im Dezember 2022 habe er den Schritt trotzdem gewagt, sei überzeugt gewesen, erfolgreich zu sein. „Und ich habe recht gehabt“, sagt er und strahlt wieder.
Zehn Dirndln in einer Woche
Arbeit gibt es zuhauf. Gerade jetzt im Frühjahr, wenn die Festsaison wieder ins Laufen kommt. „Vor Kurzem habe ich in einer Woche zehn Dirndln geändert“, sagt der Vater eines 20 Monate alten Sohnes. Kleidungsstücke aller Art, aber auch Vorhänge oder Taschen bringen die Kunden zu ihm.
Vor Kurzem hat Adieb seine Angebotspalette erweitert. Jetzt gibt es in dem Geschäft an der Gröbminger Hauptstraße auch Geschenkartikel für besondere Anlässe zu kaufen und Mode für Erwachsene wie Kinder. Zu den bereits vorhandenen Kleidungsstücken für Kinder – darunter viele trachtige – und den Ballkleidern für Damen gesellen sich in Kürze noch „Dirndln und Anzüge für Herren“, so Adieb. „Das wollte ich eigentlich schon von Anfang an machen, und jetzt hat es gepasst“, sagt der Syrer, der im Ennstal mit seiner kleinen Familie und seinem eigenen Geschäft „das große Glück gefunden“ hat.